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Celvin träumt vom Großdeutschen Reich. Dann lernt er Nuri kennen. "Sommer unter schwarzen Flügeln" ist erste Buch des Sozialpädagogen Peer Martin, der mehrere Jahre mit Jugendlichen in Berlin, Brandenburg und Vorpommern gearbeitet hat.

© promo

Buch "Sommer unter Schwarzen Flügeln": Calvins Flucht

Ein rechter Proll verliebt sich in ein syrisches Mädchen. Der berauschende Debutroman von Peer Martin, besprochen auf unserem Jugendblog.

Calvin ist 19 und schlägt gerne zu. Er ist der Anführer einer rechten Gang mit brachialen Aufnahmeritualen wie dem Aufbrennen rechter Symbole. Sie treffen sich in einer Laube, schmieden Pläne von Großdeutschland. Sie organisieren eine Bürgerwehr zum „Schutz“ vor Flüchtlingen. Als Calvin rauchend auf dem Balkon steht, stürzt der ein – und er wird von Nuri gerettet, einem jungen Mädchen aus Syrien, einer von den Asylanten, gegen die er ständig pöbelt. Wenige Tage später findet ein Lehrer ein Arabischbuch bei Calvin, seine Gang wittert Verrat. Er steht unter Beobachtung der Gruppe. Als schließlich jemand Bilder von Nuri und Calvin findet, wird er verprügelt und landet im Krankenhaus. Doch die Gruppe ist noch längst nicht mit ihm fertig. Und da steht ja noch die Asylunterkunft in der Stadt, die der Gruppe schon länger ein Dorn im Auge ist. Calvin muss sich nun entscheiden, ob er zu seinen Freunden zurückkehrt.

Der Autor Peer Martin baut eine geschickte Geschichte. In Rückblenden erzählt Nuri vom Krieg in ihrer Heimat. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf dem Leben in Ostdeutschland, irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern. Calvin ist fasziniert von Nuris Geschichten und merkt gar nicht, wie er langsam seine dumpfen Vorurteile ablegt. Sein Wandel ähnelt einem Herzschrittmacher, mal ist er sicher, dass seine rechten Ansichten falsch sind, dann redet er wieder vom großdeutschen Reich und Nürnberger Gesetzen.

Immer wieder kommt eine Rückschau aus Syrien, die den Leser fesselt, der Krieg, die Zerstörung. An einigen Stellen ist diese Parallelgeschichte spannender als die Haupthandlung, man hätte fast ein eigenes Buch daraus machen können. Syrien ist vor dem Aufstand ein malerisches Land und versinkt im Chaos. Leider sprechen die Protagonisten in den Rückblenden sehr pathetisch, viele Sätze gleichen einem Gedicht, was nicht nur kitschig ist, sondern auch den Krieg unwirklich macht.

Trotzdem schafft es der Autor, die erwartbare Geschichte mit einigen Überraschungen zu versehen. Der Klappentext lässt eine Lovestory vermuten, die zwei Kulturen einander näher bringt und bei der sich am Ende alle in den Armen liegen. Doch so einfach wird es dem Leser nicht gemacht. Nicht nur die sehr präzise Beschreibung von Folter, auch verschiedene Überraschungen machen ein klassisches Happy End zunichte, was in diesem Fall auch wirklich gut so ist. Ich war lange nicht mehr so gefesselt von einem Buch, in zwei Tagen habe ich Calvin und Nuri durch Syrien und Ostdeutschland begleitet und fühlte mich wie im Rausch. Denn man wird in einen Sturm gezogen, der einen erst wieder loslässt, wenn die letzte Seite umgeblättert ist.

Peer Martin, "Sommer unter Schwarzen Flügeln", Oetinger Verlag, 528 Seiten, gebunden, 19,99 Euro

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Jascha Edert, 19

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