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Unser digitaler Zwilling wird immer detaillierter.

© Mikael Häggström/Wikimedia, Montage: steph

Buch von Markus Morgenroth: Wenn Daten verraten

Wenn man sich im Internet Schuhe bestellt, tauchen wochenlang ähnliche Anzeigen in sozialen Netzwerken auf. Ziemlich praktisch, oder? Markus Morgenroth beschreibt in seinem Buch die Datenschnüffelei von Großkonzernen.

Stell dir vor, du bewirbst dich für einen Job. Deine Qualifikation ist herausragend, und auch die Kollegen empfehlen dich. Deine Chancen stehen also supergut. Trotzdem bekommst du den Job nicht. Es gibt nur eine Standardabsage, den wahren Grund wirst du nie erfahren. Denn das Unternehmen weiß etwas über dich, was du nicht weißt: Du bist Asthmatiker – das hat dein „Background Check“ ergeben, eine detaillierte Durchleuchtung deines Lebens, wie sie bei Einstellungsprozessen immer öfter angewandt wird. Natürlich ohne dein Wissen. Dass du nur ein paar Mal Asthmamedikamente für deinen kranken Nachbarn gekauft hast und mit deiner Kundenkarte bezahlt hast, um Treuepunkte zu bekommen, ist dein Pech.

Zugegeben, das ist ein fiktives Beispiel aus dem Buch von Markus Morgenroth, "Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich!". Doch es zeigt, wie uns die digitale und vernetzte Welt zum Verhängnis werden kann. Nicht nur Geheimdienste oder Google und Facebook interessieren sich für unsere Daten, sondern auch der Arzt, der Supermarkt, die Bank, die Versicherung und so weiter. Der Grund erscheint trivial: Mit Daten kann man Geld verdienen.

Unserem Smartphone vertrauen wir manchmal mehr an als unserem engsten Freund

Bundespräsident Joachim Gauck hat dies einmal treffend mit dem „Digitalen Zwilling“ beschrieben, der aus den über uns angesammelten Daten besteht, die wir überall hinterlassen. Gefährlich wird es dann, wenn dieser Zwilling ein ungewolltes Eigenleben entwickelt. Wenn uns aufgrund von Google-Suchanfragen Krankheiten oder Charakterschwächen angedichtet werden. „Wenn aus uns Profile ohne Privatsphäre werden, ist die Freiheit in Gefahr“, schreibt Morgenroth. „Wir verlieren immer mehr die Selbstbestimmung und werden von Außen gesteuert, ohne dass wir es mitkriegen.“

Morgenroth selbst arbeitete lange Zeit in einer Firma, die im Bereich des verhaltensbasierten Marketing  tätig ist. 2013 ist er ausgestiegen. Über seine Erfahrungen und Erkenntnisse schrieb er sein Buch, das vor kurzem bei Dromer-Knaur erschienen ist. Darin erörtert er die Überwachung von Konsumenten durch die Wirtschaft und warum sich in der analogen Welt das fortsetzt, was im Internet schon längst gang und gäbe ist. Im Gegensatz zu anderer Big-Data-Literatur schreibt Morgenroth in leicht verständlicher Sprache und erklärt die Thematik anhand von realen Fällen.

Da ist beispielsweise ein Vater, der durch seinen Supermarkt erfuhr, dass seine Tochter schwanger ist, oder zwei Studentinnen, denen aufgrund einer scherzhaften Twitter-Nachricht die Einreise in die USA verweigert wurde. Morgenroth warnt nicht nur vor Gefahren, sondern gibt auch Tipps, wie man im Internet weniger von sich preisgibt. Sichere Passwörter, verantwortungsvollerer Umgang mit sozialen Netzwerken und Suchmaschinen, die nicht gleich alle Suchanfragen speichern, um personalisierte Werbung zu schalten. Unser digitaler Zwilling kann uns schneller einholen, als uns lieb ist.

Markus Morgenroth:

Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich!

Droemer Knaur 2014

19,99 € (gebundene Ausgabe)

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Johann Stephanowitz

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