zum Hauptinhalt
Die Heimniederlage gegen Hannover 96 offenbart taktische Schwächen.

© dpa

Bundesliga Kolumne: Geht Hertha bald unter?

Jetzt klappt´s auch zu Hause nicht mehr, 0:2 gegen Hannover 96. Warum Herthas Taktik nicht funktioniert und die Mannschaft eigentlich kein Team mehr ist. Ein Kommentar auf unserem Jugendblog.

Auf der Facebook-Fanseite „Hertha BASE 1892“ werden normalerweise Artikel, Liveticker, Bilder oder Kommentare gepostet. Außerdem gibt es nach einem Spiel der alten Dame üblicherweise auch Einzelkritiken der Spieler. Diesmal mussten die Fans aber darauf verzichten. Begründung des Admins: Er wolle die „Arbeitsverweigerung“ der Spieler nicht auch noch würdigen, indem er sich selbst Arbeit mache. Es wolle sich ja eh kein Hertha-Fan länger als nötig mit diesem „grausigen Spiel“ auseinandersetzen. Keiner hatte etwas dagegen. Eigentlich war ja klar, dass niemand etwas besseres als eine fünf zu erwarten hätte.

Beim 0:2 gegen Hannover 96 wurde den Fans eine unterirdische Teamleistung angeboten. Das Problem daran ist, dass man eigentlich gar nicht von einem Team sprechen darf. Ein Team hält zusammen. Ein Team kämpft für einander. Ein Team spielt miteinander. Drei Sachen, die die Fans im eigenen Stadion nicht sahen. Stattdessen erlebten sie einen zusammengewürfelten Haufen Einzelspieler, die zum Teil lustlos über das Feld trabten, ohne Esprit, geschweige denn Gefahr auszustrahlen. Oder die individuellen Fehler, wie in der 45. Minute als Linksverteidiger Marvin Plattenhardt, der zum ersten Mal in der Startelf stand, es nicht schaffte, seinen Gegenspieler Jimmy Briand zu decken. Stattdessen hielt er Abstand, fast als wolle er ihn gar nicht am Tore schießen hindern. Diese Einladung nahm der natürlich dankend an und versenkte den Ball volley im Netz.

Fremdwort In-Game Coaching

Nach der Pause verbesserte sich die Hertha nicht, im Gegenteil. Von einer Schlussoffensive zu sprechen oder dem Versuch, das Spiel noch rumzureißen, wäre völlig übertrieben. Die wenigen Chancen, die man im gesamten Spiel herausgespielt hatte, wurden leichtfertig vergeben, von sieben Schüssen kam nur einer auf das Tor von Nationaltorhüter Ron-Robert Zieler.

Eigentlich sollte in so einem Fall der Trainer eingreifen. In-Game Coaching ist kein futuristisches Konzept, sondern sollte mittlerweile von jedem Bundesliga-Trainer beherrscht werden. Herthas Coach Jos Luhukay wechselte in der 55. Minute zum ersten Mal. Jedoch nicht etwa, um seiner Mannschaft dringend benötigten frischen Wind zu verleihen, sondern weil sich Kapitän Lustenberger verletzt hatte.

Wer kam? Ronny. Nicht gerade der Spieler, der für seine Schnelligkeit oder Arbeitsrate bekannt wäre. Aber, und da muss man Luhukay Recht geben, Ronny kann im letzten Spieldrittel auch mal einen Distanzschuss oder einen Freistoß ins Tor hämmern oder mit einem gut getimten Pass die Abwehr aushebeln. Eher gesagt könnte. Ronnys Pässe verhungerten entweder oder landeten im Abseits und Torgefahr konnte er auch nicht ausstrahlen. Er hatte unter anderem auch einfach keine Abnehmer. Stürmer Salomon Kalou war zwar immerhin bemüht, alleine aber auf verlorenem Posten und konnte von den beiden Innverteidigern gut aus dem Spiel genommen werden.

Und dann kommt Ronny

Die Einwechslung Nummer zwei zeigt noch deutlicher, wie hilflos sich Luhukay fühlen musste. Wenn man mit Sandro Wagner einen Rückstand aufholen will, muss man schon sehr verzweifelt sein. Doch genau das versucht Luhukay jedes Spiel erneut. Generell sind die Aufstellungen, die Luhukay manchmal präsentiert, mehr als fraglich. Zum Beispiel rotiert er ständig. Das kann man positiv sehen, weil dadurch neue Impulse kommen können, andererseits verunsichert es auch. Außerdem setzt er zum Teil auf Spieler, die ihren Zenit schon lange überschritten haben, wie zum Beispiel Niemeyer und Ndjeng. Wiederum lässt er aber vielversprechende Talente, wie den 19-jährigen Hany Mukhtar meist sogar nicht mal in den Kader. Dabei könnte der mehr Schwung in die Mannschaft bringen als zum Beispiel Ronny.

Eigentlich sollte Luhukay mit diesem Kader längst auf einem der Europa League Plätze stehen. Starspieler wie Kalou, Heitinga und Stocker kamen im Sommer für relativ wenig Geld, hoffnungsvolle Talente wurden in Person von Haraguchi und Plattenhardt verpflichtet und dann gab es da ja noch den Ramos-Ersatz Julian Schieber. Erst noch belächelt, schoss er dann in den ersten Spielen 3 Tore. Trotzdem absolvierte er bisher erst fünf Bundesligaspiele. Im Moment erholt er sich von einer Verletzung. Damit kennen sich die Berliner aus: Im Moment fehlen sieben Spieler verletzt, unter anderem sind die Langzeitverletzten Langkamp, Baumjohann und neuerdings auch Kapitän Lustenberger dabei. Von dem Trio wird nicht erwartet, dass sie in diesem Jahr noch einmal ein Spiel bestreiten.

Es sieht nicht gut aus für die Hertha. Der Trainer schafft es nicht, seiner Mannschaft die richtige Einstellung zu vermitteln. Das „Team“ verlor seine große Stärke der Hinrunde der vergangenen Saison, den Zusammenhalt, und ist mittlerweile nur noch ein Haufen Individualisten. Die Taktik greift nicht mehr. Und vielleicht am schlimmsten: Die Hertha hat keine Lebensversicherung mehr, wie Ramos in der letzten Saison.

Der Name „Hertha“ kam ursprünglich von einem alten Hausboot. Geht die alte Dame bald unter?
Das ist ein Beitrag unseres neuen Jugendmagazins "Schreiberling". Lust auf mehr? Werdet unsere Freunde auf www.facebook.de/Schreiberlingberlin oder folgt uns auf www.twitter.com/schreiberling_. Fanpost und Kritik an schreiberling@tagesspiegel.de

David Fresen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false