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Nach einer Trainingseinheit mit den Cheerleadern, bemerkte unsere Jugendreporterin, wie sehr sie den Sport unterschätzt hat. Auf dem Bild: Gina Schröder (12).

© Luise Böhm

Cheeleader-Training: „Du denkst bestimmt, das ist mit Pompoms oder so“

Unsere Autorin hatte nur Bilder von strahlenden Frauen im Kopf. Dann hat sie gemerkt: Cheerleading ist Leistungssport. Und auch Jungs sind dabei.

Ich sehe Mädchen. Viele Mädchen. Alle tragen ein weißes „Bears“-Shirt und kurze schwarze Hosen, weiße Cheerleader-Schuhe und einen ordentlichen Pferdeschwanz. Eine Frau fragt mich, wen ich suche, stellt sich anschließend an die Brüstung der Tribüne und brüllt durch die ganze Halle: „Can? Hier is’ jemand vom Tagesspiegel, die will ’ne Reportage schreiben!“ Sofort verstummen die Gespräche. Fünfzig Augenpaare richten sich auf mich. Na toll. Dankeschön.

Ich werde nach unten gewunken und stelle mich erst mal an den Rand, um mich umzusehen. In der einen Hälfte der Halle reihen sich dunkelgrüne Matten aneinander, auf denen noch ein paar von den ganz Kleinen eine Tanzchoreografie üben. In der anderen Hälfte stehen die Coaches und beraten sich. Es riecht, wie es in einer Schulturnhalle eben müffelt: nach Schweiß und zu vielen Jugendlichen. Das eigentliche Training hat noch nicht begonnen, alle wärmen sich gemeinsam auf, laufen Runden durch die Halle und machen merkwürdige Krabbelbewegungen auf dem Boden. Sieht ziemlich anstrengend aus. Ich bin froh, nicht mitmachen zu müssen.

„Komm, ein Stückchen schaffst du noch!“

Dann dehnen sich die Mädchen: Sie verteilen sich in der ganzen Halle und machen Übungen, die ich vorher noch nie gesehen habe. Schon beim Zuschauen verziehe ich das Gesicht. Ein Bein hinter den Kopf klemmen? – Kein Problem!

Die "Berlin Bears Cheerleader" trainieren in der Sporthalle der Otto-Hahn-Oberschule in Neukölln.
Die "Berlin Bears Cheerleader" trainieren in der Sporthalle der Otto-Hahn-Oberschule in Neukölln.

© Luise Böhm

Ein elfjähriges Mädchen jammert: „Ich kann nicht mehr!“ Die Trainerin kommt zu ihr: „Komm, ein Stückchen schaffst du noch!“ und dehnt sie noch weiter in den Spagat. Sobald die Trainerin sie loslässt, lässt sich die Kleine nach vorne fallen und reibt sich das Bein. 

Eine Viertelstunde später löst sich die große Gruppe in zwei kleinere auf, die „Junior AllGirls“ und die „Junior Coed“. Der Hallenteiler wird heruntergelassen. Ich bleibe erstmal bei der „Junior Coed“-Gruppe. Prompt werde ich begeistert gefragt, ob ich mit dem Cheerleadern anfangen will. „Du denkst bestimmt, das ist mit Pompoms oder so“, sagt eine. Die Mädchen grinsen sich wissend zu. Zugegeben, bevor ich mich mit Cheerleading auseinandergesetzt habe, dachte ich das tatsächlich. Aber hier merke ich, wie sehr ich den Sport unterschätzt habe.

Dann geht es los. Die Jugendlichen reihen sich vor den grünen Matten auf, bis der Coach das Startsignal gibt. Immer zwei nehmen Anlauf und vollführen - mehr oder weniger synchron - eindrucksvolle Salti, Überschläge, Flickflacks. „Was war das denn? Strecksprung nicht vergessen!“, rufen die Coaches immer wieder dazwischen, oder auch „Komm schon, du kannst das!“. Ich beobachte, wie jede einzeln Feedback bekommt. Wer noch etwas Hilfe braucht, wird von den Teamkameradinnen gehalten. Alle arbeiten zusammen, niemand wird außen vor gelassen. Alle motivieren sich gegenseitig. Die Mädchen ziehen sich gemeinsam immer weiter hoch, pushen einander, feuern sich an. Sie wirken stark zusammen, eben wie ein Team. Das ist viel mehr als nur ein Sportverein. Die Coaches behandeln die Jugendlichen wie ihre eigenen Kinder, wenn auch streng, und untereinander kennen sich alle, lachen miteinander.

Bei solchen Sprungfolgen würde ich mir wahrscheinlich die Knochen brechen

Unter den ganzen Mädels entdecke ich sogar zwei Jungs. Einer von ihnen steht am Rand. „Ich bin durch eine Freundin hier im Team“, erzählt er. „Sie meinte zu mir, die Bears bräuchten Jungs, da bin ich einfach mal mitgegangen.“ Ich frage ihn noch, wie das mit den Mädchen so ist. Er grinst und antwortet: „Ja, ist schon cool. Ich bin jetzt auch erst vier Wochen hier, aber alle haben ein echt gutes Verhältnis zueinander.“ Es geht weiter mit komplizierten Sprungfolgen, bei denen ich mir alle Knochen brechen würde, doch auch der Junge, der erst seit kurzem dabei ist, wirkt routiniert und kann das meiste mitmachen.

Ganz schön mutig. Gina (12).
Ganz schön mutig. Gina (12).

© Luise Böhm

Cheerleading ist Leistungssport

Drüben bei den „AllGirls“ wird gerade Krafttraining mit Gewichten gemacht. Daneben üben die Anfänger Radschläge und Radwenden. Endlich mal etwas, was ich auch kann. Auch hier werde ich wieder allen vorgestellt. Ich frage die Mädchen, wie oft sie in der Woche trainieren. „Regulär zweimal die Woche, aber jetzt, so kurz vor den Meisterschaften, müssen wir schon öfters kommen“, erfahre ich. Ähnlich ist es beim „Coed“-Team. Der Name bedeutet übrigens, dass Jungs und Mädchen gemeinsam trainieren. „Wegen den regionalen Meisterschaften im März müssen wir bis zu sechsmal die Woche in die Halle kommen.“

Mir klappt die Kinnlade herunter. Sechsmal die Woche! Da bleibt ja gar keine Zeit mehr für andere Dinge. Auf die Frage, was man zum Cheerleading mitbringen sollte, antwortet Coach Jenn: „Teamfähigkeit, Ehrgeiz, Disziplin. Aber am wichtigsten ist das Herz. Du musst es wirklich wollen, denn heutzutage ist das ein echter Leistungssport geworden.“

Später wird die Choreografie für die Meisterschaft geübt. Sie besteht aus Tanz, Turnen, Akrobatik und natürlich den schweren Sprungfolgen und Ausrufen des Cheerleadings. Alle wissen, wo sie stehen müssen und was sie zu tun haben. Selbst wenn sie ihre Schritte nur einmal kurz ohne Musik andeuten, komme ich aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Das Team strahlt eine unglaubliche Power und Präsenz aus.

Am Ende des Trainings wird der Raumteiler wieder hoch gelassen. Jetzt zeigen die AllGirls den Coeds, was sie erarbeitet haben. Die Coeds feuern sie mit lauten „AllGirls! AllGirls!“-Rufen an. Die Luft vibriert vom Teamgeist.

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Luise Böhm, 14

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