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Die sechs vom Prenzlauer Berg: Helene von Schirach, Coco Aglibut, Nina Grabowski, Luisa Mielenz, Judith Rinklebe und Marthe Meinhold gestalten jährlich den Mädchenjahreskalender.

© promo/ Mädchenjahreskalender

Feminismus im „Mädchenjahreskalender“: Kalendergirls

Im „Mädchenjahreskalender“ behandeln sechs Freundinnen feministische Themen – und motivieren darin Gleichaltrige zu mehr Selbstbestimmung.

Mädchenjahreskalender – das klingt verträumt, nach einem süßen Sinn für Poesie und Kitsch, versehen mit einem Hauch von Rosa. Das Selfmade-Kalenderprojekt von Helene, Coco, Nina, Luisa, Judith und Marthe ist sicher all das. Nur eines ist es nicht: naiv. Niedliche Ponys sucht man in ihrem kompakten Taschenkalender ebenso vergeblich wie den „auf cool“ gemachten Stil eines handelsüblichen Hausaufgabenhefts. „In den Läden findet man nur solche, die zwar hübsch aussehen, aber inhaltlich keinen Anspruch haben. Da wollten wir etwas Besseres für unsere Altersgruppe produzieren“, sagt Marthe Meinhold. Die Idee zu ihrem Mädchenjahreskalender war geboren. Das war vor drei Jahren. Nun ist ihr neuer Kalender für 2016 erschienen – „perfektionistischer und inhaltlich stärker denn je“, befindet Marthe.

Der Mädchenjahreskalender 2016.
Der Mädchenjahreskalender 2016.

© promo/ Mädchenjahreskalender

Erneut geht es den jungen Frauen vom Prenzlauer Berg um feministische Themen. Sie erzählen von eigenen Erfahrungen, schreiben gesellschaftspolitische Essays, portraitieren Feministinnen und führten Interviews, etwa mit der Berliner Rapperin Sookee. Sonst ist ihr Büchlein ein ganz normaler Jahreskalender, ein täglicher Begleiter, um sich wöchentliche Termine zu notieren. Doch die vielen Collagen und Zeichnungen verleiten nicht dazu, unbedachte Kritzeleien zu hinterlassen. Neben dem politischen Anspruch steckt im MJK vor allem viel gestalterische Liebe zum Detail. Jede der sechs Freundinnen hat auf den rund 250 Seiten ihre kreativen Spuren hinterlassen.

Kein politisches Manifest

Das Thema Feminismus hat sich so ergeben. „In der Pubertät beginnt die Auseinandersetzung mit sich selbst“, sagt Marthe. Die eigene Geschlechtlichkeit gewinnt an Bedeutung – und damit auch das, was es außerdem noch heißt, „ein Mädchen“ zu sein. Wieso vergleiche ich mich ständig mit anderen? Was will mir die Industrie als „normal“ verkaufen? Es sind typische Fragen Jugendlicher, die sie im Kalender aufgreifen – „zugänglich und auf Augenhöhe. Wir wollen Interesse für ein wichtiges Thema wecken und zum Weiterdenken anregen.“

Als politisches Manifest wollen sie den Mädchenjahreskalender aber nicht verstanden wissen, macht Marthe deutlich: „Für uns heißt Feminismus vor allem das Streben nach Gleichberechtigung. Und das ist schlicht gesagt unisex. Es betrifft jeden von uns, nicht nur Frauen“. Dass es dann doch ein „Mädchenkalender“ geworden ist, war deshalb auch ein Streitpunkt. Doch ihre Weiblichkeit wollen sie nicht verleugnen: „Wir sind halt junge Frauen“, sagt Marthe. Dass ihr Kalender dennoch zu Selbstbewusstsein - und vor allem zu Selbstbestimmtheit - auffordert, daran lässt schließlich auch der rosafarbene Rahmen keinen Zweifel.

Ihr Statement ist gefragt

Böse Mails haben sie zu ihrem Kalender nie bekommen, aber viel Anerkennung und oft konstruktive Kritik. „Wir sind überrascht, wie intensiv sich viele damit auseinandersetzen“, sagt Judith Rinklebe aus dem Team. Unzählige Verbesserungswünsche und Anmerkungen zu ihren Essays erhielten sie zum Mädchenjahreskalender 2015.

Die intensive Auseinandersetzung mit dem Feminismus machte sie sechs selbst zu Expertinnen, wie Judith erzählt. „Zu bestimmten Themen warteten in der Schule immer alle auf ein feministisches Statement von uns. Das war aber nie schlecht gemeint. Vielmehr gab uns das das bestätigende Gefühl, dass wir mit den Kalendern wichtige Themen angesprochen haben und auch wahrgenommen werden.“ Im vergangenen Jahr überstieg die Nachfrage die gedruckten Exemplare um einiges.

Das Interesse wird auch diesmal groß sein. Wer einen Kalender für 2016 erstehen will, sollte sich beeilen. 1700 Exemplare wurden diesmal produziert, immerhin 400 mehr als für 2015. Der Mädchenjahreskalender ist online und in 38 ausgewählten Buchläden erhältlich. Mit den Einnahmen wollen sie ihr Projekt auch im kommenden Jahr weiterführen.

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Henrik Nürnberger

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