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Via Eyetracking kann der Rollstuhl bewegt werden. Paul Foltin und Myrijam Stoetzer präsentieren ihre Innovation beim „Make Light Lab“ im Bundesministerium für Bildung und Forschung.

© Henrik Nürnberger

Junge Zukunftstechnologie: Augen auf, fertig, los!

Myrijam und Paul entwickelten einen Rollstuhl, der mit Augen gesteuert werden kann. Den Bauplan dazu gibt es als Creative Commons Lizenz frei zum Download.

Geduldig führen sie ihre Innovation vor. „Wir mussten den Infrarotfilter ändern, damit der alle Augenfarben erkennt“, erläutert Myrijam Stoetzer und beugt sich über das Ergebnis ihrer Arbeit. Derweil tippt ihr Mitstreiter Paul Foltin etwas in eine kleine Tastatur, legt behutsam die Kabel beiseite und setzt dem Interessierten die Brille auf, an der ein sogenannter Eyetracker befestigt ist. Das Gerät erkennt die Blickrichtung, in die der elektrische Rollstuhl sogleich steuert. „Menschen mit Multiple Sklerose oder ALS im Höchststadium, die nur ihre Augen bewegen können, kommen so voran“, sagt Myrijam. Und damit ist für sie alles gesagt. „Haben sie noch Fragen?“

Scheiberwischer-Antrieb

Inspiriert wurden beide durch den an ALS erkrankten Künstler Tony Quan, für den seine Freunde ein Eyetracking-System konstruiert haben, mit dem er virtuell zeichnen kann. Kurzerhand münzte das junge Entwicklerduo das Prinzip in eine Steuerung um. Den alten Rollstuhl, den sie zum Hightech-Produkt aufmöbelten, haben sie für wenig Geld bei Ebay ersteigert. „Als Antrieb haben wir alte Scheibenwischer-Motoren angebaut“, sagt Myrijam kühl, als sei das eine völlig naheliegende Lösung.

Weiterentwickeln wollen sie demnächst die Kollisionserkennung mit Hilfe kleiner Sensoren am vorderen Teil des Rollstuhls. Noch dazu planen sie einige Korrekturen, um die Blickerkennung für Brillenträger freundlicher zu machen. Habtische Steuerungsmöglichkeiten könnten auch noch ergänzt werden, etwa durch Impulse über die Wange.

Vergleichbares gibt’s nur in China

Ihre Entwicklung stellten sie gerade beim „Make Light Lab“, einer Themenwoche rund ums Licht und seinen technischen Anwendungsmöglichkeiten, im Bundesministerium für Bildung und Forschung vor. Ähnliches kennen sie derzeit nur von einer chinesischen Tüftlerin, die - zeitgleich und ohne voneinander zu wissen - auch einen mit Augen beweglichen Rollstuhl konstruiert hat. „Der ist allerdings nicht so wendig wie unser Modell“, sagt Myrijam stolz.

Wie immer ernten sie ein anerkennendes Nicken. Auf die Frage nach ihrem Alter reagieren Myrijam, 14, und Paul, 15, etwas genervt, denn ihr Innovationsprodukt ist der Star. Einen Nachwuchsbonus wollen die jungen Entwickler nicht. Doch oft würden sie nicht ernst genommen, findet Myrijam. Bei Unternehmen und Universitäten wurden sie oft abgewiesen, als sie um Unterstützung baten. „Zum Glück hat sich das mit Jugend Forscht ein bisschen geändert“, sagt Paul. Mit ihrem Rollstuhl konnten sie den Stadt-, Landes- und schließlich den Bundeswettbewerb in diesem Jahr gewinnen.

Entwicklung für alle

Im Mai geht es nach Phoenix in Arizona zur „International Science and Engineering Fair“. Von dort wäre auch das Silicon Valley nicht weit, doch Myrijam wiegelt ab. „Das ist die falsche Zielgruppe um Geld zu machen“, und Paul fügt hinzu: „Wir wollen, dass viele Menschen auf der Welt davon profitieren können, auch in Entwicklungsländern. Die Betroffene sollen sich das leisten können.“ Aus diesem Grund haben sie die Bauanleitung zu ihrem Gerät kurzerhand als Creative Commons Lizenz online gestellt. Jeder darf darauf zugreifen und sich im Nachbau des Rollstuhls versuchen, aber nicht vermarkten.

Myrijam will später Informatik oder etwas Naturwissenschaftliches studieren. Früher experimentierte sie mit Brennstoffzellen. Paul versuchte sich in der Materialforschung mittels Kamera-Spektral-Analyse. Kennengelernt haben sich die beiden allerdings nicht über die Tüftelei an technischen Einwicklungen, sondern in der Schülerband.

Wo es die jungen Forscher künftig hinführt, darüber machen sie sich noch keine Gedanken. Bis zum Schulabschluss ist ja noch viel Zeit - Zeit, um weiter zu forschen.

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Henrik Nürnberger

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