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Die Mauer - Was war das nochmal?

© Marlene Resch

Mauerfall: In einem Land vor unserer Zeit

Ossis sind faul, Wessis arrogant. Auch 25 Jahre nach dem Mauerfall habe ich das Gefühl, meine Herkunft relativieren zu müssen. Ein Kommentar von unserem Jugendblog.

Wenn man wie ich in Brandenburg wohnt, dann ist das so eine Sache, darüber zu sprechen: „Ja, ich wohne in Brandenburg. Genau, im Osten. Aber nicht im tiefsten Brandenburg, nein. Ganz nah bei Berlin. Und meine Eltern, die kommen aus dem Westen.“

Warum habe ich das Gefühl, meine Brandenburger Herkunft relativieren zu müssen? Vielleicht, weil so viele, wenn sie Brandenburg hören, an die Liedzeile von Rainald Grebe denken: „Ich fühl mich heut’ so leer, ich fühl mich Brandenburg.“. Vielleicht auch, weil mir meine Grundschullehrerinnen, alteingesessene Ost-Frauen, mit etwas zu viel Inbrunst die brandenburgische Hymne ins Ohr sangen und ich mich seither nicht mehr so richtig für den Sumpf und Sand in meinem Brandenburger Land begeistern kann.

Vielleicht habe ich zu viele Vorurteile über den Osten gehört, um mit Stolz über die märkische Heimat zu sprechen, und es nagt doch ein klein wenig an mir, wenn ich in Zehlendorf in meinen Bus nach Brandenburg steige und ein Freund sagt: „Na, dann fahr mal wieder ab in den Osten zu den Provinzlern.“. Wenn das doch bloß nichts weiter als die altbekannte Berliner Eigenliebe wäre, die hier spräche und nicht gleichzeitig ein Ost-West-Schubladendenken!

Alles Humbug, denn eine kollektive Berliner Eigenliebe gibt es genauso wenig, wie Ost- und Westdeutsche einer Definition von Stereotyp unterliegen. Denn Menschen nach ihrer Herkunft zu beurteilen, das habe ich als Rassismus kennen gelernt.

Für mich ist die deutsche Teilung eine Ewigkeit her. Ein Vierteljahrhundert. Länger als mein ganzes Leben. Die deutsch-deutsche Geschichte kenne ich nur aus Büchern, Unterricht und Erzählungen.  Deshalb weigere ich mich, plumpe Vorurteile zu übernehmen. Das ist Geschichte, beziehungsweise es sollte Geschichte sein. Vor allem für diejenigen, die in meinem Alter sind, bei denen man weiß: Die sprechen nicht aus Erfahrung, die plappern nur nach. Ost und West gab es für uns doch nie, ansonsten hätte ich für meinen Teil zumindest ein kleines Identitätsproblem. Bin ich Westdeutsche wegen meiner Eltern oder Ostdeutsche, aufgrund meines Wohnorts? Spätestens 25 Jahre nach dem Fall der Mauer ist es eindeutig an der Zeit, dass endlich auch die Vorurteile zu Bruch gehen.

Das ist ein Beitrag unseres neuen Jugendmagazins "Schreiberling". Lust auf mehr? Werdet unsere Freunde auf www.facebook.de/Schreiberlingberlin oder folgt uns auf www.twitter.com/schreiberling_. Fanpost und Kritik an schreiberling@tagesspiegel.de

Marlene Resch

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