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Chris Köbke und Sebastian Becker wollen eine Spielefirma gründen.

© Hy-Ran Kilian

Spieleentwickler: „Wir gehen auch mal raus“

Zwei Jungs programmieren Hasen, die Zombies jagen – und träumen vom großen Durchbruch. Ein Hausbesuch.

Zwei Nerds mit fahler Haut, die bei Neonlicht vorm Bildschirm hocken. Mal nach draußen? Bloß nicht bei Tageslicht, die Sonne könnte blenden. Höchstens mal, um sich ein neues Sixpack zu holen. Also ein Sixpack Energydrinks. Wer braucht Muskeln, wenn die Finger am Joystick trainiert werden?

Mit diesen Erwartungen mache ich mich auf den Weg zu zwei jungen Programmierern. Die Tür zu der Hinterhauswohnung in Wilmersdorf öffnet ein junger blonder Mann mit grauer Kapuzenjacke, Brille und Zahnspange. Grinsend führt er mich ins Wohnzimmer. Chris Köbke ist 19 Jahre alt und will mit einem Kumpel eine Spielefirma gründen.

Der Kumpel lümmelt an einem verkramten Schreibtisch, vor sich den aufgeklappten Laptop. Sebastian Becker im Jeanshemd. Er trinkt ein paar Schlucke aus einer Tasse mit Eulenmuster und verweist mich auf ein Bett voller bunter Kissen. Auch er ist hier nur zu Besuch, denn wir befinden uns in der Wohnung von Chris und seiner Freundin. „Momentan ist ein Büro für uns nicht notwendig, wir treffen uns abwechselnd bei Chris und bei mir“, sagt Sebastian. Bis vor wenigen Wochen arbeiteten beide einer Softwarefirma, nebenbei programmierten sie Spiele. Den Job haben sie gekündigt, jetzt hoffen sie auf den Durchbruch als Spieleentwickler.

Zombiblut auf dem Boden

Chris klickt auf „Spiel starten“. Es erscheint eine Riesenkarotte, die in der Erde steckt. Das Ziel ist, zu zweit mit einem roten und einem blauen Hasen Massen kleiner Zombies abzuwehren, die aus dem Wald strömen und drohen, die Karotte aufzuessen. Die Häschen schießen um sich, und allmählich breitet sich Zombieblut auf dem Boden aus.

Sebastian Becker.
Sebastian Becker.

© Hy-Ran Kilian

„Komm lass mal küssen“, sagt Chris lachend. Das ist eine im Prinzip zwecklose, aber lustige Zusatzfunktion. Während sich die Zombies weiter nähern, hoppeln die Hasen auf dem Bildschirm aufeinander zu und geben sich einen Kuss. Dann kann weiter geballert werden. „Übernimm du links! Ach Mist, bin ich blöd? Lass noch mal küssen!“. Zum Schluss wendet sich die Karotte auch noch gegen die Hasen. Der finale Kampf gegen die irre grinsende Mohrrübe erinnert an den großen Kampf gegen Bowser am Ende einer Mario-Party.

Wie man auf so bescheuerte Ideen kommt? „Unter Zeitdruck, mit viel Humor und einem Hang zu niedlichen Animationen“.

Der Sprung ins Ungewisse

Das Spiel kann man kostenlos runterladen. Es hat schon ein recht großes Publikum, weil es vom größten YouTuber der Welt, PewDiePie, „let’s played“ wurde. „Wenn jemand ein Video bei YouTube hochlädt, in dem er dein Spiel spielt, und du ihm dabei zusehen kannst, wie er lacht oder sich ärgert, dann ist das die größte Motivation“, sagt Chris.

„Of Carrots and Blood“ ist eines der Spiele, die an einem einzigen Wochenende entstanden, denn viel Zeit zum Programmieren gab es bis vor Kurzem nicht. Halbtags arbeiteten Chris und Sebastian in der Softwarefirma und nur zwei Tage die Woche an den Spielen. Doch nun  wollen sich beide Vollzeit damit befassen. „Wir wagen gerade den Sprung ins Ungewisse, schließlich verdienen wir momentan kaum Geld. Wir leben nur vom Ersparten “, sagt Sebastian. „Aber man muss auch etwas riskieren, damit wirklich etwas dabei herauskommt “. Chris sagt: „Es geht ja nicht zwingend darum, krass reich zu werden“. Das nächste Projekt soll um einiges größer sein: „Ein Spiel, mit dem man über Wochen etwas erleben kann“. Neue Fenster auf dem Laptop öffnen sich, Chris tippt seltsame, verschlüsselte Codes ein.

Chris Köbke
Chris Köbke

© Hy-Ran Kilian

Vor dem offenen Fenster zum Innenhof plätschert der Regen, das Zimmer wird von einer Salzlampe in warmes Licht getaucht. Ein hübscher Dielenboden, Bücherregale, in denen sich „Harry Potter“ an „Die drei ???“ reiht. Erst auf den zweiten Blick fällt die technische Ausstattung, aus Fernseher, Playstation, Laptops und kleiner Studioecke ins Auge, die aber zwischen Fotos und Regalen recht unscheinbar aussieht. An diesen Geräten verbringen Sebastian und Chris ab jetzt unzählige Stunden am Tag. „Wir haben unseren Zeitplan komplett umgestellt, um eine möglichst normale Arbeitswoche mit freien Wochenenden einzuführen.“

Zwischendurch Realität

Der Tag beginnt meist mit einem zweistündigen Austausch über neue Ideen und der Ausarbeitung eines Tagesplanes. Aber vor allem mit einem Frühstück. „Das machen wir viel“, sagt Sebastian, „dabei lässt sich einiges besprechen. Ich könnte jetzt eigentlich auch eine Schale Müsli gebrauchen“. Es ist 17 Uhr.

Aber was bewegt einen dazu, nahezu jeden Tag von 9 bis 20 Uhr vor dem Computer zu sitzen? Mir flimmert es schon nach einem Film vor den Augen. „Hey, also nur damit das klar ist: Wir gehen auch mal raus!“, lacht Sebastian. Und offenbar nicht nur, um sich Nachschub an Energydrinks zu kaufen. „Ich gehe regelmäßig klettern, Fahrrad fahren und joggen. Natürlich trifft man sich auch mal in Bars oder Clubs.“

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Antonia Bretschkow

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