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Berlin: "Jugendfeier 2001": Glückwünsche, Geschenke, Gysi

Wie viel Geld Madlen Werner heute von ihren Verwandten bekommen wird, weiß sie noch nicht. Klassenkameradin Maria Jakubek freut sich auf einen Hund: "Ich kriege einen Dackel.

Wie viel Geld Madlen Werner heute von ihren Verwandten bekommen wird, weiß sie noch nicht. Klassenkameradin Maria Jakubek freut sich auf einen Hund: "Ich kriege einen Dackel." Die beiden 13-Jährigen aus Treptow tragen heute Lidschatten und einen langen schwarzen Rock. Gleich werden sie - begleitet von Fanfarenmusik - im Gänsemarsch in den Festsaal gehen.

Zur "Jugendfeier 2001" sagt Gregor Gysi den rund 400 Jungen und Mädchen gestern früh im Friedrichstadtpalast, was er ihnen fürs Leben wünscht: Erfüllte Liebe, Toleranz gegenüber Andersdenkenden und etwas Ehrgeiz. "Suchen Sie das Glück", sagt er, auch bei der Berufswahl in der Zeit der Arbeitslosigkeit, "ich hoffe, dass Sie überhaupt einmal alle vor dieser Entscheidung stehen." Die DDR hätte die Menschen als soziale Wesen verstanden, der Westen als Individuen - jetzt gehe es darum, beides zu verbinden. Die Rede liest er etwas hektisch, verhaspelt sich auch mal. "Man weiß ja nie, ob das alles auch ankommt", wird er später sagen. Die im Saal versammelten Eltern applaudieren am Ende. Das Fest moderieren zwei stilisierte Kosmonauten, die nach 30 Jahren auf die Erde zurückgekehrt seien: Sie wundern sich, dass "die Hauptstadt und West-Berlin" jetzt eins sind. Der Ostrock-Star Dirk Zöllner singt "Auf der Reise".

"Vom Sinn unseres Lebens", so hieß das DDR-Buch, das der "Zentrale Ausschuss für Jugendweihe" bis 1989 allen 14-jährigen in die Hand drückte, auf dass sie sozialistische Persönlichkeiten würden. "Einmal im Leben", das ist die Broschüre der Humanisten, mit der die "Jugendfeier"-Veranstalter Eltern Erziehungs-Ratschläge und eine Anleitung zur "Jugendfeier" in der Familie geben.

Doch dort, wo so deutlich "Osten" draufzustehen scheint, ist kein Osten drin: Der Humanistenverband Berlin ging aus der Freidenkerbewegung im Westteil der Stadt hervor. Und immer mehr Eltern schicken ihre Kinder zur West-Jugendweihe: Nach der Wende feierten gerade 1000 Jugendliche in Berlin und Brandenburg mit den Humanisten, dieses Jahr sind es fast 12 000 - neun Zehntel davon aus dem Ostteil der Stadt. Kleine Theaterstücke auf der Jugendfeier werben für Toleranz gegenüber Ausländern und für gleiche Chancen für Mädchen und Jungen. "Wir wollen außerhalb von Religionen Werte vermitteln", sagt Bruno Osuch, Vorsitzender der Berliner Humanisten. Rund 4000 weitere Berliner Jugendliche feiern bei der "Interessenvereinigung Jugendweihe Berlin" - dem Ost-Gegenstück der Humanisten.

cdz

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