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Jugendgewalt: Berliner Senat will den Eltern helfen

Nach Einschätzung des Berliner Senats ist Kinder- und Jugendkriminalität kein ethnisches Problem. Entscheidend seien vielmehr soziale und familiäre Umstände. Bis Ende Juli soll ein neues Präventionskonzept vorgelegt werden.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Im Streit um die Frage, wie sich Jugendgewalt besser eindämmen lässt, setzt sich allmählich auch in der Politik die Erkenntnis durch, dass Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder – trotz Kita, Schule und öffentlicher Fürsorge – eine unersetzbare Rolle spielen. Der Senat will deshalb bei der staatlich geförderten Gewaltprävention neue Akzente setzen. Mit dem Ziel, vor allem die Eltern in den sozialen Unterschichten stärker einzubeziehen.

„Wir müssen zu einer Art Eltern-Coaching kommen“, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gestern. Gemeinsam mit Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) soll er bis Ende Juli 2008 ein neues Konzept „für die Bekämpfung der Kinder- und Jugenddelinquenz“ vorlegen, beschloss der Senat. Und zwar auf Grundlage eines Berichts der Landeskommission gegen Gewalt, die zum Ergebnis kam, dass „junge männliche Personen mit Migrationshindergrund überproportional häufig im Zusammenhang mit Gewaltdelikten registriert werden“ und auch den größten Teil der registrierten Intensivtäter stellen.

Nach Einschätzung des Senats ist Kinder- und Jugendkriminalität aber kein ethnisches Problem. Die Ursachen seien vielmehr in sozialen, familiären und geschlechtsspezifischen Faktoren zu suchen. „Kriminalität ist männlich“, sagte Körting. Und elterliche Erziehung, die Gewaltbereitschaft fördere, sei ein Schichtenproblem, unterstützt durch kulturelle Faktoren. „Die Erziehungsmentalität in Migrantenfamilien ist oft noch so wie früher bei uns in Deutschland, als die Kinder von Eltern oder Lehrern noch mit dem Rohrstock gehauen wurden.“

Deshalb müsse staatliche Gewaltprävention die Eltern nicht erst einbeziehen, wenn die Kinder zur Schule gingen, sondern schon in der Kita. Nicht nur mit Elternversammlungen, sondern auch mit Förder- und Fortbildungsmaßnahmen, auch unter Einbeziehung von Dolmetschern, um Sprachbarrieren zu beseitigen. Dabei geht Körting davon aus, „dass Eltern, die solche Hilfen nicht annehmen wollen, die Ausnahme sind“. Wenn allerdings Eltern die Kriminalität ihrer Kinder „wohlwollend begleiten“, müsse der Staats notfalls das Sorgerecht entziehen. Körting betonte, dass nicht etwa nur Väter Unterstützung bei der Erziehung brauchen. „Häusliche Schläge gegen Kinder kommt auch von den Müttern; vor allen von Frauen, die in ihrer Jugend selbst körperlich gezüchtigt wurden.“

Mit seinen Vorstellungen zur Gewaltprävention bei Kindern und Jugendlichen will sich der Berliner Senat deutlich von den Konzepten konservativ regierter Bundesländer absetzen. „Das ist ein schwierigerer Weg als nur nach dem Strafrecht zu rufen“, sagte Senatssprecher Richard Meng. Und der Innensenator wies darauf hin, „dass wir uns in Berlin nicht erst seit dem hessischen Wahlkampf mit dem Thema befassen“. Mit dem Einsatz von Psychologen und Sozialarbeitern an den Schulen, dem Netzwerk Kinderschutz, der mobilen Jugendarbeit und dem Präventionskonzept der Polizei, aber auch mit der Intensivtäterabteilung bei der Staatsanwaltschaft und dem neuen Schwellentäterkonzept sei Berlin schon ein Stück vorangekommen.

Bericht der Landeskommission gegen Gewalt: www.berlin.de/lb/lkbgg/bfg/nummer28.html

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