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Jugendgewalt: Senat will Eltern helfen

Angesichts der derzeitigen Diskussionen um Jugendliche will der Berliner Senat 640.000 Euro für Projekte zur gewaltlosen Erziehung bereitstellen. Ein Augenmerk wird dabei auf die Zusammenarbeit mit so genannten Migrantenvereinen gelegt.

Der Senat und die Bezirke wollen Eltern, und besonders Eltern mit Migrationshintergrund, verstärkt bei der Erziehung helfen. Denn die Erkenntnis von Jugendforschern, dass Jugendliche eher zu Schlägern werden, wenn sie zu Hause selbst Gewalt erleben, setzt sich langsam auch in den Verwaltungen durch. Und noch eine Einsicht gewinnt Freunde: dass man dabei mit Migrantenorganisationen zusammenarbeiten muss, um tatsächlich die Familien zu erreichen, die man von gewaltfreien Erziehungsmethoden überzeugen will.

So hat der Senat im Dezember für den Haushalt 2008 und 2009 jeweils 320 000 Euro für entsprechende ressortübergreifende Modellprojekte bereitgestellt. Im Moment sei man dabei, Migrantenvereine anzusprechen und Ideen zu entwickeln, sagt Thomas Härtel, Staatssekretär in der Bildungsverwaltung. Er stellt fest, dass es auch bei den Migranten einen Bewusstseinswandel gegeben habe und viele nun von sich aus gegen häusliche Gewalt vorgehen wollten.

Auch in den Bezirksämtern tut sich etwas. „Wir müssen flächendeckend Elternzentren einrichten“, sagt die Neuköllner Jugendstadträtin Gabriele Vonnekold (Grüne). Dieser Meinung seien auch ihre Kollegen in den anderen Bezirken. Im Frühsommer will in Neukölln ein deutsch-arabisches Bildungs- und Integrationszentrum die Arbeit aufnehmen. Für das neue Zentrum haben sich das Jugendamt Neukölln, sieben arabische Vereine und der auf schwierige und kriminelle Jugendliche spezialisierte evangelische Träger EJF Lazarus zusammengetan. Die Mitarbeiter wollen gezielt mit arabischen Eltern und straffällig gewordenen arabischen Jugendlichen arbeiten.

Elterncafés an Schulen und Kitas ist eine andere Idee von Jugendstadträten. Die könnten Anlaufpunkte für Hilfe suchende Väter und Mütter sein, sagt Vonnekold. Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus will gar richtige „Elternkurse“ an Schulen anbieten.

Auch jetzt schon versuchen einzelne Projekte, Väter und Mütter für gewaltlose Erziehungsmethoden zu gewinnen. Auch hier zeigt sich, dass die Anstrengungen dann erfolgreich sind, wenn Migrantenvereine mitarbeiten und wenn man in die Familien hineingeht, statt zu warten, dass Väter und Mütter von sich aus aktiv werden. So besuchen in Neukölln und Kreuzberg Stadtteilmütter türkische und arabische Familien, die Arbeiterwohlfahrt sucht in Neukölln, Kreuzberg, Spandau und Mitte Kontakt zu Eltern. Die arabische Elternunion und der Arbeitskreis Neue Erziehung unterstützen mit Elternlotsen Paare bei der Erziehung.

„Besonders schwierig ist es, an die Väter heranzukommen“, sagt Bilkey Öney, migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Man müsse die Männer dort ansprechen, wo sie sich im Alltag aufhalten, zum Beispiel im Männercafé. Der türkische Fußballverein Türkiyemspor besucht die Cafés und versucht die Tee trinkenden Gästen dafür zu sensibilisieren, dass man als Mann auch Autorität erwerben kann, ohne Gewalt anzuwenden. Für dieses Engagement wurde dem Verein am Freitag der Integrationspreis des Deutschen Fußballbundes verliehen. Viele Migranten hätten mit der Arbeitsstelle auch ihre Rolle als Ernährer der Familie verloren und damit Autorität, sagt Öney. Mancher Mann schlage zu Hause auch zu, um diesen Autoritätsverlust zu kompensieren.

Auch Kazim Erdogan, ein Mitarbeiter des Neuköllner Jugendamtes, versucht seit einem Jahr mit speziellen Väterkursen Männern neue Wege aufzuzeigen. Er hat mit zwei Vätern begonnen, mittlerweile sind es zwanzig. „Das hat sich herumgesprochen“, sagt Erdogan. Der Bedarf sei groß. Claudia Keller

Claudia Keller

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