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Jugendhilferecht: Geschlossene Heime sind seit 20 Jahren abgeschafft

Offiziell gibt es in Berlin seit 20 Jahren keine geschlossenen Heime mehr. Grund für die Schließungen war das wachsende Bewusstsein für Misshandlungen, denen viele Jugendliche ausgesetzt waren.

Geschlossene Heime sind in Berlin und auch bundesweit bereits vor 20 Jahren formal abgeschafft worden: Damals wurde die „geschlossene Unterbringung“ im Jugendhilferecht ersatzlos gestrichen. „Gestrichen wurden auch die Möglichkeiten der Fürsorgeerziehung sowie der Verwahrlosungsbegriff“, sagt Manfred Kappeler, emeritierter Professor für Sozialpädagogik der TU Berlin.

Kappeler beschäftigt sich seit Jahren mit dem Leid, das vielen der rund 800 000 Heimkinder in der Bundesrepublik vor allem in den fünfziger bis siebziger Jahren angetan wurde. Das wachsende Bewusstsein für die Misshandlungen, denen viele Kinder und Jugendliche hinter Mauern und Zäunen ausgesetzt waren, hat langfristig dazu geführt, dass die Unterbringung in geschlossenen Heimen der Vergangenheit angehört.

„Die Kinder und Jugendlichen in den Heimen waren 24 Stunden am Tag fremdbestimmt und in all ihren Bedürfnissen anderen Menschen unterworfen“, sagt der Wissenschaftler. Aus Anvertrauten seien Ausgelieferte geworden. „Dabei hätte man die jungen Menschen, die oft aus schlimmen Verhältnissen stammen, eigentlich unterstützen müssen.“ Unter ihren Heimaufenthalten litten die Jugendlichen ihr ganzes weiteres Leben lang. Vor einigen Wochen hatte Kappeler vor dem Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses von einer jungen Frau erzählt, die hinter Berliner Heimmauern völlig isoliert aufgewachsen war und weder lesen noch schreiben gelernt hatte.

Vor allem die sogenannte Heimkampagne der Außerparlamentarischen Opposition hatte die Studentenbewegung für die Gewalt und Misshandlungen in den Heimen sensibilisiert. „Deshalb wurden die geschlossenen Heime eigentlich schon Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre abgeschafft“, erinnert sich Kappeler. Auf der Gesetzesebene wurde diese Entwicklung dann in den Jahren 1990/91 nachvollzogen.

Kappeler hält es für notwendig, dass die Jugendhilfe ihre ambulante Unterstützung weiter ausbaut – und besser personell ausgestattet wird. „Das ist bisher nicht in dem Maße geschehen, wie es gesetzlich eigentlich verlangt wird.“ Auf Bundesebene beschäftigt sich seit Ende 2008 ein Runder Tisch mit dem Schicksal von Heimkindern in der Bundesrepublik. Neben den Betroffenen kommen dort auch die Bundesregierung, die Länder sowie Vertreter aus Wissenschaft, Verbänden, Kirchen und Justiz zusammen.

Ingrid Stahmer (SPD), ehemalige Sozial- und Jugendsenatorin, erinnert sich an immer wieder in Fahrt kommende Diskussionen um die Unterbringung in Heimen. „1998 ist der Vorschlag sehr stark in die Öffentlichkeit geraten“, sagt sie. Grund seien damals noch nicht strafmündige „Klaukinder“ gewesen. Ein Bundesratsbeschluss habe damals erklärt, der „vollständige Verzicht auf die geschlossene Heimunterbringung ist angesichts der neueren Kriminalitätsentwicklung problematisch“. Deshalb seien laut Bundesrat „wirksame Alternativen zu entwickeln, in deren Mittelpunkt die Erziehungsaufgabe zu stehen hat“.

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