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Jugendliche Iraner: "Wir holen Teheran nach Berlin"

Sara Dehkordi ist 26 und stammt aus dem Iran. Mit anderen Studenten protestiert sie gegen das Regime. Von der deutschen Regierung fühlen sich die jungen Leute alleingelassen.

Für Sara Dehkordi haben die Bilder von protestierenden Iranern, die derzeit um die Welt gehen, eine besondere Bedeutung: „Ich warte seit zehn Jahren darauf, dass sich so eine Bewegung bildet“, sagt die 26-Jährige. Ihre Eltern kamen als politische Flüchtlinge nach Deutschland. Ihr Vater zählt zu den Opfern des Mykonos-Attentats, bei dem 1992 in Berlin vier Menschen vom iranischen Geheimdienst ermordet wurden. „Jetzt gibt es kein Zurück mehr“, sagt die Religionswissenschaftlerin, die auf einen neuen, demokratischen Iran hofft.

Sara Dehkordi versucht mit ihrer Studentengruppe derzeit täglich, die Aufmerksamkeit in Deutschland auf die Unruhen im Iran zu lenken. Das kleine Netzwerk von jungen Deutschen und Iranern hat in den vergangenen Tagen gleich mehrere Demonstrationen organisiert. „Wir holen Teheran nach Berlin“, sagt Dehkordi, die Sprecherin der Gruppe. Für den morgigen Freitagabend beispielsweise planen sie eine Großveranstaltung vor dem Kreuzbergmuseum in der Adalbertstraße. Während der Kundgebung um 22 Uhr wollen sie Fotos vom Aufstand im Iran und dessen Opfern an die Hauswand projizieren.

Seit mehr als einer Woche spiegelt sich die Protestbewegung in Iran auch auf den Straßen Berlins wider: Exiliraner und iranischstämmige Deutsche treffen sich täglich, diskutieren und chatten im Internet mit iranischen Studentenorganisationen und Aktivisten. Sie planen immer neue Aktionen, um ihre Freunde und Familien in der islamischen Republik zu unterstützen. Die Ziele der Deutschiraner sind unterschiedlich: Die einen wollen das islamische System abschaffen, die anderen sind nur gegen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad. Doch eins haben alle gemeinsam: Sie glauben daran, dass die Protestbewegung im Iran ohne die Unterstützung aus dem Ausland keine Chance hat.

Die Studentengruppe um Sahand Zamani, der ebenfalls gegen die Regierungsgewalt protestiert, ist eher Befürworter der kleinen Schritte: „Wir fordern in erster Linie, dass die Menschen friedlich für eine Neuwahl demonstrieren dürfen“, sagt Zamani. Der Student und Filmemacher ist Sprecher einer Gruppe von jungen Berliner Iranern, die sich auf der Internetplattform Facebook „Iran-Berlin against election fraud“ nennen. „Natürlich wünschen auch wir uns eine Demokratie“, so Zamani, „aber das wird nicht von heute auf morgen gehen.“

Zamanis Gruppe setzt sich jeden Abend zusammen und diskutiert die nächsten Schritte. Die Studenten organisieren beispielsweise Aktionen mit Schauspielern auf der Straße, sie rufen Fernsehtalkshows wie „Anne Will“ an, um Themenvorschläge zu unterbreiten und Gesprächspartner vorzuschlagen.

Von der Politik ist Zamanis Gruppe bislang eher enttäuscht: „Die Volksparteien CDU und SPD halten sich zurück und unterstützen uns keineswegs“, sagt Zamani. Mit Ausnahme der Grünen, die den Studenten einen Server zur Verfügung stellten, damit die Aktivisten im Iran eine Plattform im Internet haben. Ein Teil der Gruppe will nächste Woche nach Brüssel fahren und dort mit EU-Politikern sprechen. „Vier meiner Bekannten wollen sogar nach Teheran fliegen, um dort nach dem Rechten zu sehen“, sagt Zamani. Vielleicht könnte man auf diese Weise auch „die Mediensperre überwinden“.

Die schockierenden Bilder vom Tod der 19-jährigen Iranerin Neda Agha-Soltan, die am Rande einer Demonstration in Teheran ums Leben kam, spielen offenbar keine Rolle für das Engagement der jungen Berliner. „Jetzt gibt es für die Welt ein junges, hübsches Gesicht zu den Protesten“, sagt etwa Sara Dehkordi. „Aber für viele von uns ist sie nur eine von vielen Toten.“

Bereits am heutigen Donnerstag gibt es für Sara Dehkordi und ihre Mitstreiter den nächsten Pflichttermin: Mit einer Lichterkette soll an die zahlreichen Opfer im Iran erinnert werden – in Teheran, Berlin und Hamburg. Die erste Kerze soll um 21.30 Uhr auf dem Breitscheidplatz angezündet werden.Ferda Ataman

Ferda Ataman

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