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Berlin: Junge Hoffnung und alter Hase

Auf dem Parteitag der Grünen wurde die 19-jährige Clara Herrmann in den Landesvorstand gewählt – und der frühere Fraktionschef Wolfgang Wieland

Von Sabine Beikler

Sie ist jung, engagiert, mit einer unverbrauchten Leidenschaft für grüne Politik: Als Clara Herrmann zu den 150 Grünen-Delegierten auf dem Parteitag im Jüdischen Museum am Samstagabend spricht, trifft sie genau den Nerv ihrer Parteifreunde. Die Parteifreunde applaudieren, während die 19-jährige Geografie-Studentin und Sprecherin der Grünen Jugend in Berlin über Grundsicherungsmodelle, Bildungs- und Stadtteilpolitik spricht. Kurz nach ihr tritt das Grünen-Urgestein Wolfgang Wieland vor die Delegierten. Beide kandidieren für den 14-köpfigen, erweiterten Landesvorstand und erzielen gute Ergebnisse. Die junge Nachwuchspolitikerin Clara Herrmann kann den alten Hasen Wieland sogar noch um sechs Stimmen abhängen.

Herrmann ist seit zwei Jahren Grünen-Mitglied. Die Studentin ist über Tagungen zum Klimawandel in die grüne Politik „reingerutscht“, wie sie erzählt. Ihre Familie sei zwar politisch interessiert, aber nie aktiv bei den Grünen gewesen. Was sie an der Partei gut findet, ist die Frage um die Nachhaltigkeit, die Auseinandersetzung um Ökologie und die Grundsicherungsmodelle. Einer der Schwerpunkte ihrer politischen Arbeit als Sprecherin der Grünen Jugend in Berlin ist die Bildungspolitik. Die junge Frau, die in Schöneberg aufgewachsen ist, lehnt Studiengebühren ab und setzt sich ein für „Chancengerechtigkeit“, wie sie sagt. Sie möchte zum Beispiel die Stadtteilpolitik und Gesundheitspolitik besser mit der „Lebenswirklichkeit“ vieler Menschen verzahnen. Viele seien schon nicht mehr krankenversichert.

Ihr „Gegenpart“ im Landesvorstand ist Wolfgang Wieland, der seine Kandidatur Ende Dezember erklärt hatte. Zurzeit ist Wieland wieder als Anwalt in seiner Charlottenburger Kanzlei aktiv. Doch der 56-Jährige sucht immer wieder nach neuen Herausforderungen. Nach langen Jahren als Rechts- und Innenpolitiker und Fraktionschef im Abgeordnetenhaus sowie einem kurzen Intermezzo als grüner Justizsenator hatte er sein Mandat abgelegt und sich mit Spaß – aber erfolglos – als Spitzenkandidat in den Brandenburger Wahlkampf gestürzt.

Jetzt ist Wieland in der Berliner Politik zurück: Er ist der Einzige, der auf der Landesdelegiertenkonferenz kurz vor Schluss kritische Worte über Außenminister Josef Fischer und die Visa-Affäre findet. Die Fischer-Rede in Köln, der „Befreiungsschlag“, sei sechs Wochen zu spät gekommen. Die Wähler vertrügen die Wahrheit, aber „kein Kneifen und Taktieren“. Dafür bekam Wieland viel Applaus, aber das war’s auch.

Auf Wieland, den einige Grüne gern als Landeschef gesehen hätten, lasten hohe Erwartungen. Der Vorstand stellte am Wochenende die „Offensive 2006“ mit den Themen Bildung, Integration, Ökologie, Gesundheits-, Arbeitsmarkt-, Kultur- und Medienpolitik vor. Schon vor zweieinhalb Jahren sollte der damals neu eingesetzte erweiterte Landesvorstand das strategische Zentrum der Partei werden, ein grüner „Think Tank“. Inhaltliche Impulse blieben jedoch aus. Viel Zeit bleibt den Grünen bis 2006 nicht mehr, um, wie Wieland mahnte, auch „endspurtfähig“ zu werden.

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