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Jugendarrest

© Mike Wolff

Junge Serientäter: Adnan F. sollte in die Psychiatrie

Ende Juni hat ein Familienrichter die Einweisung des 13-jährigen Serientäters Adnan F. in eine Psychiatrie genehmigt. Doch dort hielt es ihn nicht lange.

Der 13-jährige Serientäter Adnan F. müsste eigentlich in einer psychatrischen Einrichtung sitzen. Wie der Tagesspiegel erfuhr, hat ein Familienrichter des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg dazu die Genehmigung erteilt. Der Beschluss stammt vom 29. Juni – knapp eine Woche bevor der Junge mit einem gestohlenen Moped durch Neukölln raste und eine Frau dabei schwer verletzte. Derzeit wissen die Behörden nicht, wo der 13-Jährige aufhält. Sogar sein Vormund ist ratlos – die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die seit mehr als einem Jahr für den Jungen verantwortlich ist. Die AWO war es auch, die zum Familirichter gegangen war, um die Einweisung in eine geschlossenen psychiatrischen Einrichtung genehmigen zu lassen.

Daraufhin wurde Adnan noch am selben Tag in die psychiatrische Abteilung des Krankenhauses Königin Elisabeth Herzberge in Lichtenberg überwiesen. Doch dort hielt es ihn nicht lange. Wie der AWO-Vize-Landesgeschäftsführer Andreas Beckmann-Fellgiebel sagte, habe sich dort so aggressiv und gewalttätig benommen, dass die Klinik ihn schon am nächsten Tag wieder entließ – ohne die AWO umgehend zu benachrichtigen. „Wir haben erst am 6. Juli auf Anfrage davon erfahren“, sagt Beckmann-Fellgiebel.

Ein Sprecher der Klinik wies diese Darstellung zurück. Vielmehr sei Adnan am 30. Juni aus der Klinik „entwichen“. Dies sei deshalb möglich gewesen, da die Kinder auf der psychiatrischen Station „nicht den ganzen Tag in einem Raum eingesperrt sind“, sagte der Sprecher. Auch habe die Klinik sofort die Polizei informiert, die den Jungen zur Fahndung ausschrieb. Und auch Adnans AWO-Betreuer sei angerufen worden. „Allerdings habenwir ihn nicht erreicht. Am 2. Juli informierten wird das Familiengericht.“

Adnan tauchte nach der Flucht aus der Klinik zunächst unter. Nach dem Unfall mit dem Moped in Neukölln wurde das strafunmündige Kind jedoch nicht wieder die Klinik gebracht, sondern kam stattdessen in der Nacht zum 6. Juli vorübergehend ins Erziehungsheim EJF-Lazarus im uckermärkischen Frostenwalde. Da diese aber eigentlich nur Jugendliche aufnimmt, wurde er am nächsten Tag in die Einrichtung „Weidenhof“ für delinquente Kinder verwiesen. Sie gehört demselben Träger an.

Doch auch dort hielt es den Berliner Intensivtäter nicht lang. Zweimal ist er aus dem Heim, das umgeben ist von kilometerlangen Wiesen und Wäldern, ausgebüxt. Das erste Mal verschwand er, kehrte aber wieder freiwillig zurück. Das zweite Mal nahm er den Zug nach Angermünde. Dort erwischten ihn jedoch Polizisten und brachten ihn die psychiatrische Klinik nach Eberswalde. Doch alsbald wurde er wieder zurück in den „Weidenhof“ geschickt – weil er sich friedlich verhielt. Doch hier drehte Adnan auf, die Erzieher bekamen Angst. Mit Latten und Scherben soll er auf die Pädagogen losgegangen sein. „Zum Selbstschutz sowie zum Schutz der anderen wurde er deshalb am 11. Juli von der Brandenburger Polizei wieder zurück nach Berlin gebracht“, hieß es gestern in einer Stellungnahme der Einrichtung EJF-Lazarus.

„In einigen wenigen Fällen kann ein geschlossenes Heim auch für Kinder sinnvoll sein“, sagt Bernd Ahrbeck, Professor für Verhaltensgestörtenpädagogik an der Humboldt-Uni. Der Experte für Kinder- und Jugendkriminalität beschäftigt sich seit Jahren mit geschlossenen Heimen. „Kinder brauchen vor allem Erziehung“, sagt Ahrbeck. Deshalb dürften Heime auch kein Ersatz für Gefägnisse sein, vielmehr müsse eine „intensive pädagogische und psychologische Betreuung im Vordergrund stehen“. Viele kriminelle Kinder und Jugendliche bräuchten eine gezielte Erziehungshilfe. Eine Erhöhung der Plätze für geschlossene Unterbringungen lehnt der Experte ab. Die bundesweit mehr als 150 Plätze in geschlossenen Heimen reichten völlig aus, sagte Ahrbeck. Dabei handelt es sich um eine „mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung“, bei der ein Entweichen durch verschlossene Fenster und Türen erschwert wird.

Hintergrund für die Unterbringung sind oft strafrechtliche Schwierigkeiten der Jugendlichen, aber auch Gefährdungssituationen, die jedoch keine psychiatrische Unterbringung implizieren. Unter besonderen Umständen kann auch häufiges Entweichen und mangelnde Erreichbarkeit mit anderen Betreuungsformen der Anlass sein. Diese Form der Betreuung sieht sich nicht nur in der Vergangenheit heftiger Kritik ausgesetzt, und wird in vielen Bundesländern nicht angewendet. In den letzten Jahren ist allerdings wieder eine Zunahme solcher Maßnahmen zu beobachten. Lange Wartezeiten sind die Folge.

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