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Junge Serientäter: Kinder hinter Schloss und Riegel

Über geschlossene Heime für Täter unter 14 Jahre entbrennen regelmäßig Debatten.

Seit 1990 bringt Berlin delinquente Kinder unter 14 Jahren nicht mehr in geschlossenen Heimen unter. Wegen des 13-jährigen Serientäter Adnan F. wird jetzt erneut eine politische Debatte darüber, ob es solche Einrichtungen wieder geben soll. Seit 20 Jahren kehrt die Auseinandersetzung darüber regelmäßig wieder. Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) wehrt sich zwar nicht mehr gegen die Diskussion, ist aber strikt gegen geschlossene Heime.

Im August 1996 schrieb der Tagesspiegel: „Immer öfter überfallen Kinder in Berlin Erwachsene, erpressen Klassenkameraden, stehlen Autos – und müssen dennoch keine Konsequenzen fürchten.“ Für Schlagzeilen sorgte damals ein dreizehnjähriger Junge aus Bosnien, dem mehr als 40 Straftaten zur Last gelegt wurden. Polizei, Bezirksämter und Jugendexperten forderten damals, geschlossene Heime wieder einzuführen. Die Grünen lehnten das ebenso ab wie die damalige Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD). Der Chefarzt der psychiatrischen Kinderklinik Wiesengrund klagte, seine Einrichtung sei auf Straftäter nicht eingestellt. Der auffällige 13 Jahre alte Bosnier war dort eingewiesen worden.

Derartige Diskussionen mit ähnlichen Fronten branden seitdem immer wieder auf. Stahmer lag in dieser Frage einst mit ihrem Parteigenossen und damaligen Justizsenator Ehrhart Körting über Kreuz, der geschlossene Anstalten verlangte. Zwei Jahre später machte der eine Kehrtwende und lobte die offene Heimpädagogik: „Wenn die bestehenden Projekte gut funktionieren, brauche ich über weitere Einrichtungen nicht nachzudenken“, sagte Körting. Die „taz“ jubelte: „Auch Politiker sind lernfähig.“

Zuletzt hatte die CDU im Abgeordnetenhaus Ende Februar dieses Jahres geschlossene Heime und die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters auf zwölf Jahre gefordert. SPD, PDS und Grüne lehnten das kategorisch ab.

In den 1970er-Jahren prangerten Kritiker katastrophale Missstände wie Verwahrlosung und Gewalt in den Heimen an. Aufsehen erregte 1970 das Fernsehspiel „Bambule“, in dem autoritäre Auswüchse in einem Mädchenheim zum Aufstand der Insassinnen führen. Ulrike Meinhof produzierte den Film, kurz bevor sie als Mitglied der Roten Armee Fraktion in den Untergrund ging. Bald regte sich tatsächlich gewalttätiger Widerstand. Ende 1973 kam es im senatseigenen Hauptkinderheim in Kreuzberg zur sogenannten „Trebe–Bambule“. Jugendliche schlugen einen Erzieher und eine Reinigungsfrau zusammen.

In diesen Kämpfen um eine liberalere Heimpraxis gerieten die geschlossenen Einrichtungen immer mehr in Verruf. Berlin machte sie dicht, als 1990 ein neues Kinder- und Jugendhilfegesetz in Kraft trat. Kinder dürfen seither nur eingesperrt werden, wenn sie sich oder andere an Leib und Leben bedrohen. Die meisten Bundesländer schafften seinerzeit die geschlossenen Heime ab. Manche wechselten später ihren Kurs. Hamburg etwa führte sie unter Innensenator Ronald Schill wieder ein. Werner Kurzlechner

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