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Nur einmal im Jahr, im Herbst, blüht Safran für wenige Wochen. Die süß-aromatisch duftenden Staubblätter der Krokuspflanze werden getrocknet als Gewürz verwendet. Hier arbeitet eine Pflückerin in Afghanistan nahe Herat – das Gewürz kommt später auch in Berlin dank „Conflictfood“ auf den Teller.

© privat

Jungunternehmen "Conflictfood": Wie ein Berliner Startup in Krisenregionen hilft

Safran aus Afghanistan, Freekeh-Weizen und Datteln aus dem Westjordanland, Speisesalz aus Eritrea: Das Berliner Startup-Unternehmen "Conflictfood" vertreibt lokale Spezialitäten – und hilft damit im Land.

Gernot Würtenberger und Salem El-Mogaddedi sind Brückenbauer zwischen zwei Welten – und kommen dieser Tage nicht recht zur Ruhe: Von ihrem Büro im Norden Kreuzbergs organisieren sie gerade einen neuen Transport Safran von Afghanistan nach Berlin. Auch die Vorbereitungen für die Einfuhr von Kaffee aus dem Jemen und palästinensischen Datteln und Freekeh, einem gern geröstet verspeisten Getreideprodukt, laufen derzeit auf Hochtouren. "Das sind natürlich keine gewöhnlichen Importgebiete, aber genau darum geht es ja auch", sagt Würtenberger.

Der 38-jährige ehemalige Architekt und sein Geschäftspartner El-Mogaddedi, 43 Jahre alt und ehemaliger Eventmanager, sind die Gründer des Berliner Social Startups Conflictfood. Die beiden Unternehmer suchen auf Reisen in Konfliktregionen nach lokalen Spezialitäten, importieren sie nach Deutschland und verkaufen sie über einen Onlineshop, bisher vor allem in den deutschsprachigen Raum. "Uns geht es darum, den Menschen vor Ort eine wirtschaftliche Perspektive zu geben, ihnen dabei auf Augenhöhe zu begegnen", sagt Salem El-Mogaddedi. "Daher verzichten wir auf teure Zwischenhändler und nehmen die Sachen derzeit noch selbst im Gepäck mit zurück. Bei den Menschen, die die Produkte anbauen, soll schließlich auch Profit ankommen", ergänzt Würtenberger.

"Wir wollen Fluchtursachen an der Wurzel bekämpfen"

Angefangen hat alles mit einem Hinweis von Salem El-Mogaddedis Vater, einem Afghanen. Es ist die Geschichte von der Safran-Farm im Westen Afghanistans, geleitet und betrieben von einem unabhängigen Frauenkollektiv, die sie nicht mehr loslässt. "Das war unsere Initialzündung", sagt Würtenberger. Wenige Wochen später, im November 2015, fliegen sie selbst nach Afghanistan. "Wir waren beeindruckt, von dem, was wir sahen. Es war eine ganz andere Geschichte von Afghanistan, als jene, die man sonst hört", sagt El-Mogaddedi. Sie waren beeindruckt von der Arbeit vor Ort. Und lernten selbst, sich von Klischees zu verabschieden. Zum Beispiel diese Hochglanzbilder von den Feldern mit geöffneten Blüten! "Die Frauen entnehmen die Blütenstempel aus diesen Krokusblüten aber am frühen Morgen, noch bevor sie sich öffnen, damit keine Sonne oder Staub dem frischen Safran schadet", erzählt El-Mogaddedi. Die Beiden kehren dann zurück mit mehreren Kilo Safran im Gepäck – und mit der Idee eines Startups.

In den folgenden Monaten bauen die Innovativ-Unternehmer einen Onlineshop auf, entwerfen Verpackungsmaterial und Prospekte und Flyer, die jeder Packung und jedem Produkt beigelegt werden. So informieren sie die Käufer über die politischen und sozialen Bedingungen in der Region, über die Hintergründe des Konflikts. "Oftmals geraten Konflikte schnell in Vergessenheit. Wir wollen mit den Produkten auch ein Bewusstsein für die Krisenregion schaffen", sagt Würtenberger. "Es geht aber auch darum, Fluchtursachen an der Wurzel zu bekämpfen. Wir bestimmen mit dem eigenen Einkauf schließlich so viele Dinge mit. Der faire Umgang legt den Menschen in der Konfliktregion die Waffen buchstäblich aus der Hand", sagt Würtenberger.

Auch Berliner Betriebe profitieren

Auch Betriebe in Berlin erhalten durch das Startup Aufträge. Die Delfin-Werkstätten, die vor allem Menschen mit Behinderung beschäftigen, fertigen die Verpackungen an, andere soziale Einrichtungen sind für den Druck der Flyer zuständig. Im Mai 2016, als sie für ihr Konzept gerade den „Next Organic Startup Award“ und ein Stipendium erhielten, ging auch der Webshop online.

Rund 2000 Packungen mit je einem Gramm Safran waren anfangs erhältlich, Verkaufspreis jeweils 24 Euro. Die Hälfte der Charge ist nun verkauft. "Es läuft von Tag zu Tag besser. Auch in einigen Geschäften in Berlin liegen unsere Waren nun aus, und wir beliefern auch schon Restaurants", sagt El-Mogaddedi. "Von dem Ertrag unterstützen wir bereits soziale Projekte in der Konfliktregion, darunter ein Kinderheim in Kabul."

Die nächsten Produkte und Dienstreisen sind schon geplant, etwa nach Eritrea, von wo sie ein besonderes Speisesalz importieren wollen. Eine Reise in das Westjordanland liegt hingegen erst wenige Wochen zurück. Der Import von palästinensischem Freekeh, grünem Weizen, der dort traditionell seit 4000 Jahren angebaut wird und gerade eine Renaissance erlebt, soll in Kürze starten. "Aber auch hier vergeben wir lediglich die Lieferung, dafür suchen wir noch NGOs und andere Kooperationspartner", sagt Würtenberger.

Da das Startup noch keine schwarzen Zahlen schreibt, soll nun eine Crowdfunding-Kampagne helfen, die Lieferung zu gewährleisten. Anders als beim Safran gehe es hier um große Mengen. "Wir wollen Menschen erreichen, die politisch interessiert sind und sich Lebensmittel wünschen, die fair gehandelt sind", sagt El-Mogaddedi, "die Herausforderungen vor Ort nehmen wir gern an – man wächst mit seinen Aufgaben." Das Motto von Conflictfood lautet schließlich auch "Cultivating peace since 2015".

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