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Berlin: Justiz: Diepgen will Kronzeugen der Anklage

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen hat sich gestern für die Wiedereinführung der so genannten Kronzeugen-Regelung ausgesprochen. Entsprechende Pläne gibt es im Bundesjustiz- und Bundesinnenministerium.

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen hat sich gestern für die Wiedereinführung der so genannten Kronzeugen-Regelung ausgesprochen. Entsprechende Pläne gibt es im Bundesjustiz- und Bundesinnenministerium. Diepgen, der in Berlin auch für das Justiz-Ressort zuständig ist, will Kronzeugen offenbar bei allen Taten mit hohem Gewalt- und Aggressionspotenzial zulassen. Gleichzeitig denkt er an eine Ausweitung des Zeugenschutzprogramms in der Stadt, wie sein Sprecher Karsten Ziegler gestern gegenüber dem Tagesspiegel sagte. Damit könnte vielleicht ein Grundproblem der Zeugen aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität gelöst werden: Ihre Angst vor den Ex-Kumpanen und deren Rache.

Von 1989 bis 1999 hatte es in Deutschland eine Kronzeugenregelung gegeben, mit der vor allem Terroristen durch Strafmilderung zum Aussteigen und Aussagen bewegt werden sollten. Die rot-grüne Koalition schaffte sie aus rechtspolitischen und praktischen Erwägungen ab: Beim "Handel" mit Schwerkriminellen als Kronzeugen blieben Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit auf der Strecke, hieß es damals. Außerdem sei es in keinem einzigen Fall gelungen, Straftaten zu vereiteln oder Täter aus terroristischen Vereinigungen herauszubrechen.

Auch in Berlin hat es offiziell nie einen Kronzeugen bei Ermittlungen in der organisierten Kriminaliät gegeben. Dafür führen Strafverfolger allerdings einen, wie sie meinen, banalen psychologischen Grund an: Kein Schwerkrimineller breche wegen einiger Jahre Straferlass die "Omerta", das Gesetz des Schweigens, um dann ständig um sein Leben fürchten zu müssen.

Trotz der Abschaffung des entsprechenden Kronzeugen-Paragraphen gibt es jedoch weiterhin inoffizielle, legale Absprachen, die dem Prinzip des Kronzeugen entsprechen. So ist vor drei Wochen gerade der plaudernde Zeuge Tarek Mousli, der dem BKA und der Bundesanwaltschaft alles über seine ehemaligen Genossen von den Revolutionären Zellen in Berlin erzählt hat, mit einer Bewährungsstrafe davongekommen. Die Bundesanwaltschaft hat ihn, körperlich und juristisch unversehrt, durch den Prozess geleitet. Nun steht er an unbekanntem Ort unter Zeugenschutz - vermutlich im Ausland. Von der Berliner Polizei ist bekannt, dass ihre Kanäle für bedrohte Zeugen bis nach Kanada reichen.

Der Rechtsextremismus in Deutschland hat bei Innenminister Schily und Justizministerin Däubler-Gmelin (beide SPD) inzwischen die Pläne bestärkt, wieder eine offizielle Kronzeugen-Regelung im Strafgesetzbuch einzuführen - gegen den Widerstand der Grünen und vor allem der PDS. Offenbar war es kein Zufall, dass der parlamentarische Staatssekretär des Justizministeriums, Eckhart Pick, die Pläne am Dienstag im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Rechtsextremismus erläuterte.

Man wolle aber mehr Rechtsstaatlichkeit und mehr Transparenz als früher, sagte die Sprecherin des Ministeriums, Maritta Straffer, gestern zum Tagesspiegel: Keine Straffreiheit, sondern nur Strafmilderung. Und Erörterung der Kronzeugen-Rolle in der Hauptverhandlung. Die Frage ist jetzt, ob die Sozialdemokraten sich mit den Grünen einigen. Die Christdemokraten sind ohnehin dafür.

Hans Toeppen

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