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Justiz: Vergewaltigung oder "freiwillig mitgemacht"?

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen vier Jugendliche wegen Vergewaltigung einer 16-Jährigen eingestellt. Es gebe keine Hinweise auf eine strafbare Handlung.

Berlin - Der öffentliche Aufschrei reichte weit über die Grenzen Berlins hinaus. "Kein Funken Menschlichkeit" wurde den schnell ausfindig gemachten mutmaßlichen Tätern bundesweit in Medienberichten attestiert. Zu ungeheuerlich schien das Verbrechen: Vier Schüler im Alter zwischen 13 und 15 Jahren sollten Anfang Mai 2006 im Berliner Volkspark Jungfernheide ein 16-jähriges Mädchen vergewaltigt und die Tat mit ihren Handys auch noch gefilmt haben. Der damalige Berliner Bildungssenator Klaus Böger (SPD) forderte "so rasch wie möglich ein klares und abschreckendes Urteil".

Nach den übereilten Vorverurteilungen hat die Berliner Justiz die Ermittlungen nun allerdings nach rund neun Monaten eingestellt. Die angebliche Vergewaltigung sei keine Straftat gewesen, sagte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft Michael Grunwald. Weder die Angaben der Beteiligten noch die ausgewerteten Sachbeweise belegten die für eine Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung erforderliche Gewaltanwendung oder erhebliche Bedrohung des Mädchens.

Vorverurteilung der angeblichen Täter

Noch kurz nach der vermeintlichen Tat schien die Schuld der Jungen öffentlich bereits festzustehen, obwohl früh Zweifel an der Version des sprachbehinderten Mädchens aufkamen. Die mutmaßlichen Vergewaltiger wurden festgenommen und später an andere Schulen versetzt. Böger führte damals an, es werde dafür gesorgt, dass die vier Jungen "nie wieder einen Fuß in die Tür der Poelchau-Oberschule setzen werden". An der Pforte der Gesamtschule in Charlottenburg, welche die angeblichen Täter besuchten, hingen Transparente mit Aufschriften "Schämt euch!" und "Ihr habt unsere Verachtung!".

Die Jugendlichen hatten in ihren Vernehmungen immer wieder ausgesagt, dass der Geschlechtsverkehr einvernehmlich erfolgt sei. Das Mädchen gab dagegen anfänglich an, sie sei auf dem Nachhauseweg in der Grünanlage von fünf Jungen angesprochen worden. Vier sollen dann über sie hergefallen sein. Einen Tag später ging sie mit ihrer Mutter ins Krankenhaus. Von dort wurde die Polizei alarmiert. Später relativierte die 16-Jährige - konfrontiert mit Zeugenaussagen - ihre Vorwürfe, obwohl sie und ihre Mutter zuvor bei TV-Auftritten auf ihrer Version beharrt hatten.

Geschehnisse können nicht eindeutig geklärt werden

Die Staatsanwaltschaft geht nun davon aus, dass es im Volkspark Jungfernheide zu sexuellen Kontakten zwischen den Jungen und der 16-Jährigen gekommen ist. Ob das Mädchen aber freiwillig mitgemacht hat oder doch unter Druck gesetzt wurde, ist unklar. Letztlich könnten die Geschehnisse nicht widerspruchsfrei geklärt werden, führte Grunwald an. Er betonte, dass in den Vernehmungen auch "speziell auf die alters- und entwicklungsbedingte Situation des Mädchens" eingegangen worden sei, so die Formulierung der Staatsanwaltschaft.

Sicher ist, dass der Akt mit einer Handykamera gefilmt wurde. Kriminaltechnikern gelang es, auf sichergestellten Mobiltelefonen mitgeschnittene Videosequenzen zu rekonstruieren. Die Schüler hatten sie gelöscht. Nach Grunwalds Angaben haben sich auch aus den Aufnahmen "keine Hinweise auf eine Zwangslage" der 16-Jährigen ergeben.

(Von Mirko Hertrich, ddp)

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