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JVA Charlottenburg: Gefangener spazierte aus dem Knast

Ein zu drei Jahren Haft verurteilter Straftäter gab sich als Besucher aus und passierte einfach die Kontrollen. Die Inhaftierten feierten den dreisten Ausbruch.

Der Mann saß wegen gemeinschaftlichen Raubes und Diebstahls seit zwei Jahren im Gefängnis, doch gestern Nachmittag spazierte der 22-jährige Ferat I. einfach aus dem Knast. Dem zu drei Jahren Haftstrafe verurteilten türkischstämmigen Inhaftierten „gelang es offenbar, sich in der Justizvollzugsanstalt Charlottenburg bei einer Ausgangskontrolle als Besucher auszugeben und die Anstalt zu verlassen“, bestätigte Justizsprecherin Barbara Helten am späten Freitagabend entsprechende Informationen des Tagesspiegels.

Ein Inhaftierter hatte zuvor telefonisch angegeben, der Betreffende habe sich bereits nach seiner Flucht bei seinen Mitgefangenen gemeldet und gesagt, „er würde gerade in Freiheit anstoßen“. In der JVA wurden derweil die Zellen durchsucht. Nach Bekanntwerden der „dreisten Art des Ausbruchs wurde bei uns gefeiert“, sagt ein Inhaftierter am Abend. „Wir haben hier Ausnahmezustand.“

Ferat I. saß im Haus IV – mit bis zu 73 Gefangenen – in der geschlossenen Anstalt. Die JVA am Friedrich-Olbricht-Damm ist ein Gefängnis für Verurteilte, die zum ersten Mal eine Haftstrafe absitzen. Sie können zuvor zu Geld- oder Bewährungsstrafen verurteilt worden sein. Es werden Straftäter untergebracht, die man vor Einflüssen durch eine Mitgefangenen-Klientel wie jener in Tegel schützen möchte. Auf der Internetseite der JVA Charlottenburg heißt es: „Die Anstalt ist zuständig für männliche Strafgefangene ohne akute Drogenproblematik mit einer Reststrafe von höchstens 4 Jahren – mit Ausnahme von Gefangenen, die ausbruchsgefährdet sind und die mit Betäubungsmitteln gehandelt haben.“

Ferat I. indes wurde sein Ausbruch offensichtlich sehr leicht gemacht. Besucher müssen ihren Ausweis am Eingang nach der Kontrolle abgeben. In Tegel etwa erhalten Gäste eine Marke, die sie beim Herausgehen wieder gegen den Ausweis tauschen. Im „ Sprechzentrum“ überwacht dann ein Bediensteter die Treffen, damit beispielsweise nichts Unerwünschtes übergeben wird. Ferat I. gelang es nun offenbar nach einem Besuch von Freunden, das Gefängnis so zu verlassen, als sei er ein unbescholtener Gast. Der 22-jährige war erst am 27. August in die JVA verlegt worden, vorher soll er in einer Jugendstrafanstalt gewesen sein.

Derartige Fälle hat es in den vergangenen 17 Jahren erst zwei Mal in Berlin gegeben: 1990 in Tegel und vor rund einem Jahr im Jugendstrafvollzug. Beide Male gaben sich aber ähnlich aussehende Besucher als der Inhaftierte aus. Die Kompagnons, die im Gefängnis blieben, mussten entlassen werden – ihr Verhalten gilt nicht als Straftat. Justizsprecherin Helten sagte gestern Abend, man habe die Polizei unverzüglich nach Bekanntwerden das Falles informiert. Fehlverhalten Bediensteter würden disziplinarrechtlich verfolgt. Der Mann war bis Redaktionsschluss flüchtig.

Annette Kögel

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