zum Hauptinhalt

Berlin: JVA Tegel: Häftlinge beklagen gesundheitsgefährdende Zellen

Im herabgefallenen Putz wurden hochkonzentrierte Schimmelpilze gefunden / Grüne: Anstaltsleitung geht Hinweisen von Gefangenen nicht ausreichend nach

Schimmelbefall, bröckelnder Putz, feuchte Wände – Häftlinge der Justizvollzugsanstalt Tegel (JVA) klagen schon seit vielen Jahren über starke Baumängel des 110 Jahre alten Gefängnisses. Jetzt verschärfen sie ihre Kritik. Der miserable Zustand mancher Zellen sei inzwischen gesundheitsgefährdend, erklären sie und verweisen auf die Untersuchungsergebnisse eines Speziallabors, das herabgefallenen Putz aus einer Zelle analysiert hat: Festgestellt wurden eine hohe Pilz- und Bakterienkonzentration.

Gefangene ließen den herabgefallenen Putz aus der Anstalt schmuggeln, nachdem ein Gefangener, der dort einsaß, über Schlafprobleme und starke Kopfschmerzen geklagt hatte. Zuvor war in dieser Zelle 94 in Haus 3 im heißen Sommer 2006 der Gefangene Alper K. gestorben. Nachdem der Gefangene Andreas V. nach eigenen Angaben drei Tage nach dem Tod von Alper K. in diese Zelle verlegt wurde, sei er schnell krank geworden.

Den Putz aus dieser Zelle hat der Grünen-Abgeordneten Benedikt Lux in einem Labor untersuchen lassen. Ergebnis: „Pilzgesamtkonzentration: hoch. Bakteriengesamtkonzentration: hoch.“ Verfasst wurde der Untersuchungsbericht von Ingrid Dill, einer vereidigten Sachverständigen für Schimmelpilze. Dem Vernehmen nach soll eine solche Konzentration für gesunde Menschen nicht gefährlich sein, sehr wohl aber für Allergiker und gesundheitlich Vorbelastete. Im Obduktionsbericht des mit 35 Jahren verstorbenen Alper K. werden als Todesursachen ein Lungenödem und eine Herz-Kreislauf-Schwäche genannt, aber keine Vergiftung durch Schimmelpilze.

Schon vor dem Tod von Alper K. soll die Hälfte des Deckenputzes heruntergefallen sein – wegen völliger Durchfeuchtung. Dass der marode Zustand gesundheitsgefährdend sein könne, vermuteten die Mitgefangenen erstmals im Januar dieses Jahres. Zu dieser Zeit ließ die Anstaltsleitung die Zelle sperren – und Alper K.’s Zellennachfolger wurde nach seiner Beschwerde verlegt. Seitdem gehe es ihm wieder besser.

Der grüne Abgeordnete Benedikt Lux hält es für „skandalös, dass die Anstalt den Hinweisen der Häftlinge nicht nachging“. Lux forderte von Justizsenatorin von der Aue Aufklärung, ob es weitere Zellen mit Pilzbefall gebe. Eine Justizsprecherin bestätigte, dass Zelle 94 bis zum 22. Januar belegt war und seit dem 29. Januar grundlegend renoviert wird.

Starken Schimmelbefall gibt es nach Darstellung von Häftlingen auch in den Duschen. Eine Besserung ist in der völlig überbelegten JVA Tegel kurzfristig nicht in Sicht. Wie berichtet, steht die Berliner Justizverwaltung seit kurzem mit den Bundesländern Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Hamburg in Kontakt, um zu prüfen, ob eine Aufnahme aus den überbelegten Berliner Gefängnissen möglich ist.

Wie es gestern hieß, sei dies vor allem eine Finanzfrage. Für 2008 und 2009 will die Senatorin dafür Geld in den Haushalt einstellen lassen. Bislang hatte die Verwaltung die Position vertreten, dass eine Verlegung in andere Bundesländer nicht möglich sei, da die Gefangenen das Recht auf eine wohnortnahe Unterbringung hätten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false