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"K21": Bühnenreifer Protest in der Kastanienallee

Die Gegner des Umbaus der Kastanienallee rufen am Sonnabend zum Aktionstag. "Tag des Zorns" haben Mitglieder von "Stoppt K21" ihre Veranstaltung zwischenzeitlich genannt. Statt Zorn soll es nun vor allem Konzerte geben.

Der Protest trägt zeitloses Schwarz und ein zufriedenes Grinsen im braun gebrannten Gesicht. Er sitzt in einem Café in Prenzlauer Berg, vor ihm steht ein Glas mit frischem Pfefferminztee. Am Nebentisch ist eine Geburtstagsgesellschaft zusammengekommen, zwei Frauen singen für die Jubilarin „Hoch soll sie leben“. Matthias Aberle blickt kurz zu ihnen rüber, dann lehnt er sich entspannt zurück. Ein passender Soundtrack zu diesem Tag.

Zwei Stunden zuvor hat Matthias Aberle, 50, die Nachricht bekommen, dass sein für den heutigen Sonnabend angemeldeter Aktionstag auf der Kastanienallee stattfinden kann. Das Verwaltungsgericht widersprach der Polizei, die in der Veranstaltung keine politische Demonstration sah, sondern eine Party, wohl wegen der Auftritte der Musiker. „Man kann auch in Liedform protestieren“, sagt Aberle und zündet sich eine Zigarette an. „Das scheint sich bei der Polizei noch nicht herumgesprochen zu haben.“

Seit drei Jahren kämpft der Filmemacher nun schon gegen den Umbau der Kastanienallee. Er ist Mitglied der Bürgerinitiative „Stoppt K21“, hat Plakate geklebt, in der Bezirksverordnetenversammlung Pankow protestiert, mit seinen Mitstreitern ein Bürgerbegehren auf den Weg gebracht. Der Aktionstag, der heute um 14 Uhr beginnt, ist der vorläufige Höhepunkt.

„Tag des Zorns“ haben Mitglieder von „Stoppt K21“ ihre Veranstaltung zwischenzeitlich genannt, in Anlehnung an die Massenproteste in Ägypten. Davon sind sie mittlerweile abgerückt. „Das war nie richtig ernst gemeint, sondern eine Antwort auf das Klischee des Latte Macchiato trinkenden Schwaben, mit dem wir oft konfrontiert werden“, sagt Aberle. Das offizielle Motto lautet nun „Reclaim Democracy“, so steht es auch auf den Plakaten, die für den Aktionstag werben. Till Harter, Gastronom und einer der Wortführer von „Stoppt K21“, rechnet mit 1000 Besuchern. Auf der Bühne vorm Prater werden Gastredner und Bands wie Boys Next Door und Bella Berlin stehen, ab 20 und 21 Uhr spielt Sängerin Peaches. Wegen der Veranstaltung wird der Verkehr zwischen Schönhauser Allee und Schwedter Straße bis 22 Uhr unterbrochen.

Wenn man Matthias Aberle fragt, warum er sich engagiert, muss er nicht lange überlegen: „Wenn man sieht, wie man von der Politik nur Beglückungsmaßnahmen übergeholfen bekommt, dann ist es angezeigt, sich einzubringen.“ Er und seine Mitstreiter kritisieren, dass in den Umbauplänen die Wünsche der Anwohner kaum berücksichtigt wurden. Das wollen sie mit ihrem Bürgerbegehren ändern. 8736 Unterschriften müssen sie dafür sammeln, entsprechende Listen sollen auf dem Aktionstag verteilt werden.

Vor 40 Jahren wurde die Kastanienallee zuletzt saniert. Heute sacken an vielen Stellen die Gehwegplatten ab, ein Schlagloch reiht sich ans nächste. Charmant finden das die einen, gefährlich die anderen. Dass die Straße nach dem Umbau an Flair verlieren wird, glaubt Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner nicht. „Wir bauen mit Denkmalschutzmitteln, die Sorgen sind unbegründet“, sagt der Grünenpolitiker. Ziel des Umbaus sei es, die Sicherheit der Radfahrer zu erhöhen und Barrierefreiheit zu gewährleisten. Dies sei nicht durch Ausbessern möglich. „Die Gehwege lediglich zu reparieren, grenzt manche Menschen systematisch aus. Das ist mit mir nicht zu machen.“

Auch die BVG begrüßt den Umbau, die Straßenbahnlinien M1 und 12 fahren durch die Kastanienallee. „Wir sehen auf der Strecke akuten Handlungsbedarf“, sagt Sprecherin Petra Reetz. Bislang fahren die Radfahrer zwischen den mit Piktogrammen markierten Tramgleisen. Das sei „kreuzgefährlich“, zudem würden die Straßenbahnen dadurch ausgebremst. Meist könnten die Tramfahrer nur im Schritttempo hinter den Radlern herfahren. „Dadurch verlieren sie allein auf diesem Abschnitt zwei Minuten.“

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung arbeitet derzeit an Plänen, den öffentlichen Personennahverkehr kundenfreundlicher zu machen. Im Rahmen des Projekts wurde die M1 als Pilotlinie ausgewählt. Nach dem Umbau der Kastanienallee soll geprüft werden, ob mehr Tempo auf der Strecke möglich ist. Dafür sind separate Radwege Voraussetzung.

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