zum Hauptinhalt
Fronttheater. Hans Werner Olm (li.) und Dietmar Wischmeyer haben die deutschen Soldaten in Usbekistan und Afghanistan bespaßt. Auch im Camp Kundus mit seinem „Hauptbahnhof Lummerland“ sind sie aufgetreten, den für Jim Knopf und Lukas den Lokomotivführer schwärmende Militärs ersonnen haben. Foto: Promo

© Promo

Kabarettisten als Soldatenbetreuer: Humoristen an der afghanischen Front

Wehrkraftzersetzung durch Satire? Nein, Truppenstärkung durch Lachsalven! Die Kabarettisten Hans Werner Olm und Dietmar Wischmeyer spielten in Afghanistan.

Hans Werner Olm hat nicht gedient. Merkt man sofort. Total unpünktlich, der Mann. Olmi musste noch mal dringend weg, sagen seine betretenen Bürodamen. Na gut, bestimmt ein Notfall. 20 Minuten später öffnet sich die Fahrstuhltür zur Dachgeschosswohnung nahe dem Savignyplatz. Olm ist da. Er entschuldigt sich. „Ich musste unbedingt zwei Schrauben beim Eisenwarenladen C. Adolph kaufen.“ Ach so. Olm ist Bastler. So wie die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan. „Die haben in jedem Camp eine Schreinerei und machen sich alles schön“, sagt Olm. Das sei ihm richtig aufgefallen, da unten, wo sonst nichts sei als Militärgerät, Männer, ein paar Frauen und Wüste. „In Kundus heißt die Ankunftsstation, der Treffpunkt sogar ,Lummerland’.“ Der Mensch braucht Niedlichkeit, wahrscheinlich gerade im Kriegseinsatz.

Wie der im Alltag aussieht, hat sich Wehrdienstverweigerer Hans Werner Olm Ende April zusammen mit seinem Kabarettistenkollegen Dietmar Wischmeyer angesehen. Zehn Tage waren die zwei Mittfünfziger mit ihrem Programm „Altherrensommer“ auf Truppenbetreuung in Usbekistan und Afghanistan, standen in den Camps Termez, Mazar-e-Sharif und Kundus auf der Bühne. Eingereiht in eine Traditionslinie, die so alt ist wie der Krieg. Nur, dass früher Prostituierte und Marketender die Truppenbetreuung übernahmen. Prominente sind erst seit Erstem und vor allem Zweitem Weltkrieg im Spiel. Besonders beim US-Militär, das Marlene Dietrich, Fred Astaire, Marilyn Monroe, Bob Hope oder Angelina Jolie und Brad Pitt vorschickte.

Für unpatriotische deutsche Ohren hat das Wort dagegen immer noch einen seltsamen Klang. Gut, Leute wie Gunter Gabriel und die No Angels waren bei den deutschen Kfor-Truppen im Kosovo. Xavier Naidoo, Paul Kalkbrenner und Schauspieler Clemens Schick in Afghanistan, aber massenhafte Künstlerbespaßung sieht anders aus. Und dann reisen ausgerechnet zwei rüde Kabarettisten wie Olm und Wischmeyer, der Woche für Woche mit seiner aggressiven Kolumne „Wischmeyers Schwarzbuch“ auf Radio Eins beweist, dass er und nicht Oliver Kalkofe oder Oliver Welke der böseste Ableger der legendären niedersächsischen „Frühstyxradio“-Satireschule ist. Und genau dieser Wischmeyer hat seinen Freund Olm überredet. „Wie ist es denn mit einem richtigen Männerurlaub, einem richtigen Auftritt?“, habe Wischmeyer ihn gefragt, sagt Olm bei Apfelschorle und Zigaretten. Erst wollte Olm nicht, aber andererseits geht ihm als altem Querdenker und Straßenmusikanten die gepamperte Atmosphäre des gutbürgerlichen mitteleuropäischen Humoristenlebens zwischendurch ziemlich auf den Keks, und „dann wollte ich mir auch mal ein Bild machen, wie es da unten so ist.“ Wischmeyer, der sein niedersächsisches Heimatdorf Wiedenbrügge nie für so was wie ein Interview verlassen würde, schaltet sich per Telefon zu. Er hat Vorkenntnisse im Soldatenleben – als Truppenunterhalter im Kosovo und weil er nach dem Abi zwölf Jahre beim Bund war. „Eine tolle Zeit“, schwärmt Wischmeyer, „das war so schön unsinnig.“ Als Horchfunker bei der Luftwaffe hatte er zwischenmenschlich nichts auszustehen. Das sei ihm auch in Afghanistan aufgefallen, sagt er. „Das Blöde am Militär ist verschwunden, die hierarchischen Rituale, die sinnlose Schleiferei, geblieben sind dagegen Höflichkeit und Respekt.“ Für einen linken Satiriker eine erstaunliche Äußerung. Hätte so einer nicht eher die Aufgabe, Wehrkraft an sich – ganz ohne Wertung der Absichten – zu zersetzen, als sie per Truppenbetreuung zu stärken? Wischmeyer prustet. Erstens sei er kein Linker, sondern Freigeist, was Olm für sich gleich mit unterschreibt, und zweitens sei die Bundeswehr Teil des demokratischen Systems. „Das wiederum könnte man natürlich zersetzen, aber dann operiere ich doch nicht erst an den Einzelteilen herum.“ Nein, alles Pieksen hilft nicht. Olm und Wischmeyer schämen sich ihrer Reisemotivation nicht, einer Mischung aus Philanthrophie, Neugier und Abenteuerlust. Nur weil er unentgeltlich für Soldaten spiele, sei er kein Militarist, sagt Wischmeyer. Und Olm gefallen zwar die herzlichen Menschen, die er „da unten“ in den Camps getroffen hat, aber der Einsatz an sich noch lange nicht. Was er darüber denke, gehe keinen was an. „Die haben ihr Mandat, ich respektiere das und den einzelnen Soldaten sowieso, trotzdem find’ ich das Quatsch, dass wir da unten sind.“ Ein Land mit Waffengewalt demokratisieren – das funktioniere nicht. „Für mich hat das auch nichts mit Dienst am Vaterland zu tun, dem diene ich ja, indem ich Komiker geworden bin und die Leute mit Spaßsalven zivilisiere.“

Das war in Termez, Mazar-e-Sharif und Kundus allerdings nicht nötig. Natürlich bestehe das Publikum meist aus Männern, sagt Olm. Trotzdem – und trotz der Steilvorlage durch ihr Alte-Säcke-Veräppelungsprogramm – sei das kein johlender, besoffener Haufen gewesen. „Da war nichts tumb oder dumm.“ Die Auftritte waren nette Abende, die Soldaten dankbar, alles ganz zivil mitten im Krieg. Das hat Olm überrascht. Wischmeyer nicht. „Da läuft nichts aus dem Ruder, die achten da stärker aufeinander, als wir das hier tun.“ Nur die Amis in dem internationalen Camp haben ihn geschockt. „Total abgerissene Gestalten, die bleiben meist ein ganzes Jahr lang dort, das sind wirklich andere Leute als die Deutschen.“

Hatten die beiden professionellen Dampfplauderer Angst? Nein, sagt der kräftige Olm, „aber ein mulmiges Gefühl, das schon.“ Beim Flug mit der mit „Flares“ zur Raketenabwehr bestückten Transall, auf der Krankenstation, wo einer mit abgerissenen Fingern eingeliefert wurde oder bei der Schritttempo-Fahrt im Panzer mit Helm und Schutzweste vom Flughafen Mazar bis zum Camp.

Wischmeyer sagt, er würde wieder für die Soldaten spielen. Olm ist da zögerlicher. Trotz seiner positiven Erfahrungen? „Positiv ist mir zu viel“, sagt er. Er sei froh, die Truppenbetreuung gemacht zu haben. „Es war eine Erfahrung, das ja.“

Im September gehen Olm und Wischmeyer mit „Altherrensommer“ auf Tour. Termine demnächst unter www.hanswernerolm.de. Am 4. Juli liest Olm im Café Feine Dahme in Köpenick, Tel. 5164 8647.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false