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Sie wollen nur Liebe: Junikäfer, hier in unanständiger Pose, schwirren derzeit in großen Mengen durch die Stadt.

© Stefan Thomas/dpa

Käferschwärme in Berlin: Junikäfer machen die Straßen unsicher

Sie sind die "Tollpatsche unter den Insekten": In der Dämmerung taumeln derzeit Schwärme von Junikäfern durch die Straßen Berlins - auf der Suche nach der Liebe. Mücken hingegen bleiben rar.

Unkoordiniert und rücksichtslos jagen derzeit braune behaarte Mini-Buletten durch den Berliner Luftraum – getrieben vom Paarungsinstinkt. Aufzuhalten sind sie nur durch Hauswände, U-Bahnen und verdatterte Passanten, die sich verwundert die Stirn reiben, wenn ihnen einer der Junikäfer zwischen die Augen klatscht und dann ebenso verdattert wie hilflos auf dem Boden zappelt.

„Junikäfer sind die Tollpatsche unter den Insekten, die sind schon froh, wenn sie überhaupt hochkommen. Auf Reize wie Farben reagieren die fast nicht“, erklärt Derk Ehlert, Wildtierexperte des Senats, das Phänomen der scheinbar masochistisch veranlagten Fluggeschosse.

Tatsächlich waren seit Jahren nicht mehr so viele der braunen Brummer unterwegs wie in diesem Sommer, bedingt durch eine innere Uhr und mit freundlicher Unterstützung des Klimas. Zu den Junikäfern wird eine Reihe von Käferarten gezählt, die mit dem Maikäfer verwandt sind. Am häufigsten kommt in Deutschland der Gerippte Brachkäfer vor. Die Tiere werden bis zu 18 Millimeter groß und schwirren vor allem in der Dämmerung aus.

Die Käfer-Fülle folgt gewissen Zyklen: Nach drei bis vier Jahren im Boden verpuppen sich die Larven im Juni, wenn es geregnet hat. Zwei Wochen später schlüpfen die unbeholfenen Kreaturen, um auf Partnersuche zu gehen. Alle auf einmal. „Wir gehen ja auch nicht auf Brautschau und machen da Party zu zweit“, verteidigt Ehlert das Ritual.

Eine noch viel größere Party schmeißen normalerweise die provokant sirrenden Dauergäste, die uns in viel zu heißen Sommern viel zu viele schlaflose Nächte bescheren: die Stechmücken. Doch der Spitzenreiter unter den tierischen Nervtötern macht sich in diesem Jahr bislang rar. „Das liegt zum einen an der langen Trockenheit, zum anderen am lauen Winter“, erklärt Ehlert.

"Bienen leben in der Großstadt gesünder als auf dem Land"

Auf kalte Winter können sich die Mücken mit einer Art Winterschlaf einstellen, in warmen laufen sie auf halber Batterie und sterben bald. Und Mückenlarven brauchen Pfützen, Tümpel, Seen, um sich zu anständigen Insekten zu entwickeln. Badegäste müssen also in diesem Jahr damit rechnen, die juckend roten Souvenirs vom Müggelsee oder der Krummen Lanke mitzubringen.

Ohnehin herrscht an Insekten in Berlin kein Mangel. Die Vielfalt ist außergewöhnlich, da die Biotope so verschieden sind: vom Plattenbau bis zum Botanischen Garten, vom Grunewald bis zum Grünstreifen auf der Stadtautobahn. „Es ist paradox, aber Insekten wie etwa Bienen leben hier in der Großstadt gesünder als auf dem Land“, berichtet Ehlert. Ursache ist weniger die gesunde Berliner Stadtluft als die intensive Landwirtschaft, für die Insekten so überflüssig sind wie rote Stichspuren nach dem Badespaß. Die Folge: Pestizide.

Das wird den Junikäfern herzlich egal sein. Denn wenn sie erst ihren Dienst getan und für die nächste Generation fliegender Monster gesorgt haben, dann danken sie ab, nach nur drei bis sechs Wochen Berlin. Dann heißt es warten bis zur nächsten Party. In drei Jahren oder vier.

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