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Berlin: Käffchen mit Kowalski

Sänger tritt im Tipi auf – und in den USA und Japan

Jochen Kowalski, der Countertenor aus Pankow, macht etwas ziemlich Verrücktes: Als Vorspiel zu zwei weit entfernten Gastspielen mit vergleichsweise sehr ernsthaften Themen und Rollen tritt er an diesem Wochenende auf höchst unterhaltsame Weise im „Tipi“ auf und fährt mit seinem Publikum einmal durch Europa und zurück – quer durch die Hochburgen der Kaffeehauskultur des alten Kontinents. „Café Europa“ nennt sich der „unterhaltsame Abend auf höchstem musikalischen Niveau“, für den moccageschwängerten Sound sorgt dabei das „Salonorchester Unter’n Linden“. Das sind gestandene Profis der Staatskapelle, die musikalisch fremdgehen und Kaffeehausmusik machen, ein Genre, das mitsamt dem traditionellen Großcafé und seinen Tortengebirgen die Szene nachmittäglicher Genusskultur längst verlassen hat. Oder wo spielen sie noch die alten Weisen als Begleitmusik zum geflügelten Slogan „… aber bitte mit Sahne“? Nun also im Tipi, da kann man sogar mitsummen: „In einer kleinen Konditorei, da saßen wir zwei und aßen für drei“. Kowalski spricht von einer „kleinen heiter-besinnlichen Reise durch die Kaffeehäuser von Budapest, Wien, Warschau, St. Petersburg, Moskau, Berlin und Paris“, dabei erklingen Lieder, die einst, vor Radio- und Schallplattenzeiten, durch die Kaffeehausmusiker unters Volk gebracht und populär gemacht wurden. „Wir spielen uns durch die Jahrzehnte, von 1880 bis 1940, und ich erkläre ein bisschen was zu den Liedern, viele kennen sie ja noch“: „Schöner Gigolo“, „O Donna Klara“, die „Berliner Luft“, Melodien von Abraham, Brahms, Strauß, Tschaikowski, Dunajewski, Holländer, Lincke, Mackeben, Offenbach. Und der „Einsame Sonntag“, ein Titel, den die Fachwelt als Selbstmörderballade bezeichnet, weil nach diesem Lied viele Menschen freiwillig aus dem Leben geschieden waren.

Jochen Kowalski – 57 Jahre alt und aufgewachsen in Nauen – ist mit diesem Programm schon über die Dörfer gegangen und hat in Kirchen gesungen, es war unterhaltsam und lehrreich zugleich, nun das „Heimspiel“ in der Metropole und im Tipi, wo der Countertenor zwar schon öfter unter den Zuschauern saß, aber noch nie auf der Bühne stand. Nach dieser Premiere mit dem von Uwe Hilprecht geleiteten Salonorchester düst Jochen Kowalski sofort nach Los Angeles. Hier singt er die Titelpartie in der zeitgenössischen Oper „Echnaton“ von Philip Glass, die im 14. Jahrhundert v. Chr. spielt und 1984 in Stuttgart uraufgeführt wurde. Der Pharao und Gatte der schönen Nofretete singt dabei seine Partie in Alt-Ägyptisch. Eine Arie allerdings, die Anbetung des Gottes Aton, wird von ihm in der Sprache des Publikums gesungen, hier also in Englisch. Solche Herausforderungen liebt Jochen Kowalski, es kommt wie es kommt, ab Juni nämlich freuen sich die Japaner auf den deutschen Star mit der männlichen Altus-Stimme: In Hyogo singt er den Orlofsky in der „Fledermaus“ – in Deutsch und Japanisch, aber nicht im Kaffeehaus, sondern in einer Halle mit ein paar tausend Plätzen. Lothar Heinke

„Café Europa“ im Tipi, 12. Februar um 20 und 13. Februar 19 Uhr, Karten zu 39, 35 und 29 Euro unter www.berlin-ticket.de

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