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Kältewelle: Mit der "Oder" über die Dahme

Die vergangene Nacht war in Berlin die bislang kälteste des Jahres. Damit Lastschiffe mit Kohle, Getreide und anderen Gütern trotz Dauerfrost die Stadt erreichen, sind jetzt die Eisbrecher wieder unterwegs.

Berlin - Bis zum Ufer zieht sich ein undurchdringlicher Eisteppich. Am Bug des Berliner Eisbrechers «Oder» zerspringen die festen Eisschollen auf dem Fluss Dahme in glitzernde Eissplitter. In der Nacht zum Montag sanken die Temperaturen in Berlin auf minus 16 Grad. Damit Lastschiffe mit Kohle oder Getreide trotzdem pünktlich abladen können, sorgen fünf Eisbrecher des Berliner Wasser- und Schifffahrtsamtes im Zwei-Schicht-Betrieb für eine breite Fahrrinne.

«Mir macht der Job einfach Spaß», sagt der 53-jährige Kapitän Hartmut Gresch und strahlt. Von 5.30 Uhr bis 14.00 Uhr steuert er einen der beiden großen Eisbrecher, die «Oder» und die «Oderberg». Gemeinsam mit Maschinist Heiko Jahn und Matrose Andreas Schneider steuert er das Schiff Richtung Heizkraftwerk Klingenberg im Südosten Berlins. Drei Transporterschiffe laden dort jeden Tag 8000 Tonnen Braunkohle ab. Damit die Schiffe durchs Eis kommen, fahren Gresch und seine Besatzung voraus. Drei kleinere Eisbrecher sind auf der Spree in der Berliner Innenstadt im Einsatz.

Die «Oder» fährt mit ihren 540 PS in der Nähe von Königs Wusterhausen los und dreht an der langen Brücke in Köpenick um. Drei bis vier Mal am Tag peilt die Drei-Mann-Besatzung das Kraftwerk Klingenberg an. «Wenn es so kalt ist, friert das Eis innerhalb von zehn Minuten wieder zu», erklärt Kapitän Gresch. So kämen mehr als 100 Kilometer in siebeneinhalb Stunden zusammen. Am 3. Januar hat sich der bärtige Schiffsführer zum ersten Mal in diesem Winter auf die Dahme begeben. Wie lange er die Schollen bricht, weiß er allerdings nicht. «Das kommt immer ganz auf das Wetter an. Wir hatten auch schon Winter, da waren wir nur zwei Wochen an Bord und dann wieder welche, die bis Ostern andauerten.»

Gresch legt die Hand auf den rot-weißen Schalthebel und drückt ihn nach hinten, auf «ganz langsam». Vor dem Schiff schiebt sich einer der drei Braunkohle-Transporter durchs Gewässer. Im Maschinenraum ertönt ein ohrenbetäubendes Klingeln, Maschinist Jahn überprüft den Druck der Anlasspumpe. Das Schiff, Baujahr 1957, sei echte deutsche Wertarbeit, Marke Schwertmaschinenbau Karl Liebknecht. Trotzdem müssen alle 20 Minuten Luftdruck und Kühlung überprüft werden.

Der Eisbrecher ist 30 Meter lang und 7,33 Meter breit. Er steuert nicht mehr wie früher mit einem spitzen Bug auf die gefrorenen Eisflächen zu und zerschneidet sie. «Wie eine Nussschale» fährt das Schiff auf das Eis und zerbricht es durch sein Gewicht von 250 Tonnen. Voraussichtlich bis Ende Februar bahnen sich die drei Männer ihren Weg durch die bis zu 50 Zentimeter dicken Eisschollen. Das restliche Jahr über schippern sie mit einem Aufsichtsboot durch Berlins Gewässer, um den Schiffsverkehr zu sichern.

«Die Berliner Binnenschifffahrt hatte in den letzten Jahren ganz schön zu kämpfen», sagt Kapitän Gresch. Konkurrenz gibt es vor allem durch Lastwagen. Bestimmte Aufträge können aber nur Schiffe erledigen. «Wir werden den Palast der Republik auf dem Wasser abtransportieren.» Ein Schiff schafft so viel Schutt weg wie 30 Lastwagen. Der 53-Jährige schiebt den Hebel auf «Volle Kraft voraus». «Schiffe sind mein Leben», sagt er zufrieden und lenkt seinen 250- Tonner auf die Eisschollen, um sie in glitzernde Scherben zu zerbrechen. (Von Pauline Tillmann, dpa)

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