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Berlin: Kästner und Tucholsky am Beginn der Schauspielkarriere

Manuel hat Anika und die anderen fünf Mädchen fest im Griff. Versteinert wie Statuen stehen sie da, bewegen nur manchmal die Köpfe und immer die Lippen.

Manuel hat Anika und die anderen fünf Mädchen fest im Griff. Versteinert wie Statuen stehen sie da, bewegen nur manchmal die Köpfe und immer die Lippen. Aus denen ertönt im Stakkato "Veronika der Lenz ist da". Manuel steht vor ihnen und dirigiert schnell und präzise mit den Armen. Er ist zehn Jahre alt und eine Ausnahmeerscheinung bei den "Distelchen". Denn die sind eigentlich eine Mädchen-Kabarettgruppe.

"Vor drei Jahren musste ich die Jungs rausschmeißen", erzählt die Leiterin Regine Ensikat. "Es war nicht auszuhalten. Keine Disziplin. Die Jungs hatten nur eins im Kopf: Sie wollten den Mädchen imponieren." Aber was soll sie machen. Wenn die Jungs vor ihr stehen und unbedingt mitmachen wollen.

"Wo ist der Pianist?", fragt Regine Ensikat aufgeregt. Gerade war er noch da und kommt gerade zurück in den Raum mit den schwarzen Wänden und den roten Klappstühlen. Ein Zimmer im "Zimbel-Zambel, Kindermusiktheater" und Heimstätte der "Distelchen". Lothar Schubert, der Pianist, greift sanft in die Tasten. "Ich bin von Kopf bis Fuß ...". Ein Stück allein für die sechs Mädchen. "Und sonst gaaar nichts", betont die Leiterin und Regisseurin. Anika singt mit Schmollmund, hält die Nase hoch, knickst das rechte Bein ein und spreizt die Finger. Vor jeder Aufführung zittert die 15-Jährige, dann möchte sie gar nicht raus auf die Bühne. "Man ist aufgeregt, weil man das Publikum nicht kennt", sagt sie. "Aber nach dem ersten gesprochenen Satz ist es okay"

Anikas Vater wollte eigentlich, dass sie später Zahnärztin wird. "Leicht eklig, naja, lassen wir das." Sie selbst hatte schon vor einigen Jahren die ersten "Hintergedanken". Schauspielern, das könnte doch was sein, für die Zukunft und so. Beim Gedichte-Aufsagen gehörte sie in ihrer Klasse mit zu den Besten. Wie auch Steffi: "Die trägt ein Gedicht so schön vor, dass sogar der in der letzten Bank, der kurz vor dem Einschlafen ist, wieder hellwach ist. Das kommt durch unser Kabarett", erzählt Anika begeistert. Steffi sei früher nämlich schüchtern gewesen. Seit sieben Jahren ist sie schon bei den Distelchen.

Länger gibt es die Gruppe gar nicht. Entstanden aus einem Mal- und Zeichenzirkel, die für ein Projekt Handpuppen bastelten und selbst ein Stück schrieben. "Dann wollten sie sich nicht mehr hinter den Puppen verstecken", erinnert sich Regine Ensikat, die eigentlich Malerin und Grafikerin ist. Mit den größeren Mädels denkt sie sich gemeinsam die Choreografie aus.

Nach einer Aufführung hat eine Puppenspielerin zu Anika gesagt, dass sie Talent habe. "Mein Vater stand daneben und ich hab genau gesehen, dass er richtig stolz war." Irgendwann hat er zu ihr gesagt: "Anni, es sieht ganz so aus, als ob das doch was für später wird. Wir stehen hinter dir." Auch wenn die Omis immer noch vor der brotlosen Kunst warnen. Regine sieht das anders. Sie hat sich nach den Anforderungen für die Aufnahmeprüfung in der Berliner Schauspielschule erkundigt und der Pianist bringt Liedtexte mit. "Die gehen wir nach der Kabarettprobe durch."

Im vergangenen Jahr war die Gruppe mit Texten von Kästner unterwegs. Am Dienstag, den 25. Januar hat das neue Programm Premiere: Berlin-Lieder, unter anderem von Kurt Tucholsky.Premiere des Programms "Icke dette kieke mal - Berliner Lieder" am 25. Januar, 18 Uhr 30, im Kindermusiktheater Zimbel-Zambel, Strausberger Str. 5, Hohenschönhausen, Eintritt frei, Tel.: 971 11 03

Katharina Leuoth

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