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Berlin: Kaffee-Krise am Checkpoint

Im „Adler“ konnte man einst der Wiedervereinigung Berlins zusehen Nun droht dem Treffpunkt an der Friedrichstraße die Schließung

Schade wäre es, wirklich schade, wenn das Café Adler am Checkpoint Charlie zumachen müsste. Vieles deutet darauf hin. Im Herbst läuft der Pachtvertrag für das Café an der Ecke Friedrich- und Zimmerstraße aus, angeblich können sich der Besitzer des Gebäudes und die Betreiber nicht auf eine Verlängerung einigen. Dann ginge am Checkpoint eine zwanzig Jahre dauernde Berliner Tradition zu Ende: Schluss mit dem Ausschank von Kaffee, Bier und gängigen Branntweinen von Asbach bis Veterano.

Das „Adler“ öffnete 1988 – in einer Zeit, an einem Ort, an dem die Grenzstadt West-Berlin so wirkte, als glaube sie nicht mehr an ihre Zukunft und mache sich nicht daraus. Das „Adler“ mit seinen Marmortischen, hohen Fenstern, der vergoldeten Kassettendecke im Hauptraum war ein Ort, an dem man Nachmittage und Nächte verbrachte, mit reden, lesen, trinken, rauchen, Blicken auf die Mauer und in den hohen Himmel über der Brache, die die Grenze war. Es wurde zum Arbeitsplatz für manchen Journalisten. Schauspieler Pierce Brosnan soll vorbeigeschaut haben, als er in seiner Eigenschaft als James-Bond-Darsteller am Checkpoint zu tun hatte, doch das „Adler“ zog wegen seiner seltsamen Lage an einem erloschenen Brennpunkt der Weltgeschichte auch Leute aus ganz Berlin an. Die Mauer fiel, das „Adler“ blieb. Im Sommer saß und stand man vor seinen Fenstern auf der Straße, der Himmel blau, der Blick fiel auf die Brandwand schräg gegenüber mit der Aufschrift „Neue Zeit“. Das Publikum änderte sich, die West-Berlin-Liebhaber wichen den Touristen, die am Checkpoint nach Mauer und Geschichte suchen. Das Café scheint ihnen zu gefallen, man hört viel Italienisch und Englisch, das Personal ist im Dauerbetrieb, und der Porzellan-Adler im Glasregal der Bar sieht nicht aus, als wolle er bald an einen anderen Ort aufbrechen.

Von den Mitarbeitern will keiner etwas sagen über die Zukunft des Cafés, die Geschäftsführerin ist in Urlaub, unerreichbar. Man könnte melancholisch werden bei der Vorstellung, dass hier „Coffee to go“ verkauft werden könnte, wie an allen Plastikorten der Stadt. „Es wird schon irgendwie weitergehen“, sagt im Adler eine Kellnerin. wvb.

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