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Berlin: Kakerlakenrennen: Kampf der Küchenschaben

Gute Chancen für das heutige Rennen werden "Iwan" eingeräumt, der nicht von ungefähr den Beinamen "Der Schreckliche" trägt. Das Tier wird als äußerst aggressiv, ausdauernd und ungemein kräftig beschrieben.

Gute Chancen für das heutige Rennen werden "Iwan" eingeräumt, der nicht von ungefähr den Beinamen "Der Schreckliche" trägt. Das Tier wird als äußerst aggressiv, ausdauernd und ungemein kräftig beschrieben. Doch auch seine Konkurrenten "Sputnik", "Pionier", "Dukat", "Olga", "Ural" und "Pamir" werden mit Respekt genannt, wie es heißt, sind sie bereits beim russischen Millenniumsrennen mit guten Ergebnissen gelaufen. Der Start im Sommer müsste sie eigentlich noch beflügeln.

In Berlin gibt es seit jeher Hunde- und Pferderennen, in den letzten Jahren sind im nahen Hoppegarten Kamele und Elefanten dazugekommen, mit weiteren exotischen Spitzensportlern auf vier Beinen ist zu rechnen. Angesichts des Medienrummels, den es dazu erst jüngst gegeben hat, ist es eigentlich erstaunlich, dass der Beitrag des russischen Malers Nikolai Makarow zum hiesigen Rennsport bislang eher im Verborgenen sich abspielte. Vielleicht ist eine Atelierwohnung als Rahmen eines Rennens doch nicht das rechte, und auch Makarow sollte sich in Hoppegarten anmelden, was freilich wieder andere Probleme aufwürfe. In der Weite der Rennbahn sind seine Athleten auch mit dem besten Fernglas kaum auszumachen: Es handelt sich um Kakerlaken.

Sieben Krabbeltiere aus dem Makarow-Stall in der Chausseestraße 131 gehen heute um 21.30 Uhr beim Sommerfest der "Sergej Mawritzki Stiftung" an den Start, vor prominentem Publikum, falls es denn der Einladung folgt. Mehr als 300 Gäste hat der Maler zu sich gebeten, darunter den Kultursenator und den russischen Botschafter, die dem von ihm inszenierten Wettlauf der Küchenschaben folgen können, so sie denn mögen.

Den harten Kern des Publikums bildet laut Makarow die hiesige russische Intelligenzja, ein kleiner Kreis Kulturschaffender. Sein Atelier ist eine wichtige Anlaufadresse für Russen in Berlin. Im Januar will der Künstler in der Linienstraße sein "Stilles Museum", das derzeit renoviert und um einen Keller-Club für Lesungen, Musik- und Wodkaabende erweitert wird, wieder eröffnen. Eine Dependance entsteht demnächst im New Yorker Bezirk Chelsea, wo bereits Frau und Tochter des Malers leben. In der New Yorker Soho-Galerie "Mimi Ferzt" finden Makarows Stilleben und großformatige New-York-Motive reißenden Absatz und erzielen nach seinen Angaben Preise bis 40 000 Dollar.

Bei seinem Kakerlakenrennen werden jedoch weit geringere Sümmchen aufs Spiel gesetzt. Makarow will damit daran erinnern, dass Kakerlakenrennen in der russischen Spielkultur Tradition haben. Der Überlieferung nach waren es russische Emigranten, die in Konstantinopel und Paris solche Rennen mit Wetten veranstalteten. Die berühmten Kakerlakenrennszenen aus dem Film "Beg" nach Bulgakovs "Flucht" will Makarowv heute Abend zeigen, auch sollen die Rennen auf diversen Monitoren in alle Räume übertragen werden, "damit alle etwas davon haben". Denn am Renntisch - sieben überdachte Plexiglasbahnen auf grünem Filz - haben nicht viele Zuschauer Platz.

Knisterndes Tohuwabohu herrschte bereits beim Neujahrsrennen in dem einst verwanzten Hause, in dem früher Wolf Biermann wohnte. Schaben plumpsten zu Boden und drohten, sich in den Schlupflöchern zu verkriechen, in denen vormals Abhörmikrofone steckten. Zuschauerinnen mit modischen Hüten vermissten allerdings "das Getrappel der Hufe".

Gestern noch saß Maler Makarow gestresst inmitten seiner Vorbereitungen. Ein russisches Buffet, Krimsekt und Wodka müssen bestellt werden. Karg und hart ist die Möblierung seines Ateliers. Gleißendes Neonlicht fällt auf eine Glasplatte, die auf Bierkisten liegt. Ein Trommelrevolver liegt neben einem Backgammonspiel. "Ich muss noch Platzpatronen kaufen für die Startschüsse", grinst Makarow verschmitzt und er betont, dass dies hier kein neues Wettbüro sei, sondern Sitz seiner "Sergej Mawritzki Stiftung", die ihm Xenia Mawritzki mit einem Stammkapital von zwei Millionen Mark zur Förderung kultureller Beziehungen zwischen Russen und Deutschen vererbt habe: "Wir wollen das Geistesleben Russlands widerspiegeln."

Guido Schirmeyer

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