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Kalender Berlin Licht

© Lichter einer Großstadt/ Jürgen Pollack

Kalender: Hauptstadt zum Abreißen

Zum Jahreswechsel quellen die Buchhandlungen wieder mit Kalendern aller Art über. Berlin ist dabei eines der ganz großen Themen, meist mit den üblichen touristischen Motiven, doch es gibt Ausnahmen.

Es wäre mal eine hübsche Idee, eine Hitliste ortsbezogener Jahreskalender zu erstellen, mit für Berlin gewiss schmeichelhaftem Ergebnis. Als Hauptstadt taucht die Spreemetropole naturgemäß in vielen Rankingtabellen auf, ist mal oben, mal unten. Addierte man aber alle papierenen Begleiter durchs Jahr, die mit Berliner Motiven locken, und stellte diese Zahl dann den vergleichbaren anderer Städte zusammen, lägen wir bestimmt an vorderster Stelle. Man streife nur durch die einschlägigen Abteilungen der Buchhandlungen, orientiere sich im Internet – Berlin zum Umblättern und Abreißen ist auch im Jahr 2010 Spitze. Allerdings wird die Fülle von einer gewissen Monotonie begleitet. Immer wieder tauchen dieselben Postkartenmotive in immer gleicher Darstellung auf, unterschieden allenfalls im Format. Doch es geht auch anders – optisch erfreulicher, vielfältiger, fantasievoller, wie die folgende Kalenderauswahl belegt.

EINE FRAGE DER BRENNWEITE

In der Auswahl der Orte deckt sich der Kalender des Berliner Fotografen Wolfgang Scholvien teilweise mit dem Sortiment für Touristen, in der Bildgestaltung ganz und gar nicht. Brandenburger Tor, Reichstagskuppel, Berliner Dom – sie finden sich auch bei Scholvien, durch Perspektive, Ausschnitt, Brennweite und die Entscheidung für Schwarz-Weiß erhalten die vertrauten Motive eine besondere Anmutung. Man erhält den dekorativen Kalender „Berlin“ bei Thalia und Hugendubel, also auch im KaDeWe, zum Preis von 32 Euro (62 x 48 Zentimeter).

IN DIE HÖHE

Berlin streckt sich ja gerne nach oben, will was Besonderes darstellen, und das geht in vertikaler Richtung nun mal besser als in der Horizontalen. Ein Kalender wie „Berlin Vertical“, fotografiert von Wulf Liebau, wird dem offensichtlich gerecht. Auch Säulen wie an der Neuen Wache oder ein gen Himmel ragendes Kanonenrohr vom Sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten, im Hintergrund der einsame metallene Rotarmist, kommen diesem Format entgegen. Auch Liebau vertraut auf die grafische Wirkung von SchwarzWeiß, so wirkt selbst eine Ruine in der Tiergartener Hildebrandtstraße edel. (Edition Panorama im DuMont Kalenderverlag, 12,95 Euro, 22 x 48 Zentimeter).

VOR DER WENDE

Prenzlauer Berg – das ist ein moderner Mythos mit recht alten Wurzeln. Auf den Bildern des 1984 früh verstorbenen Fotografen Bernd Heyden sind sie zu besichtigen. Von Kindheit an hatte Heyden in dem Ortsteil gelebt, Mitte der sechziger Jahre zu fotografieren begonnen, später als Laborant gearbeitet und seit den Siebzigern freiberuflich gearbeitet. Er wurde zum Chronisten von Prenzlauer Berg, fotografierte Schornsteinfeger, Kutscher, Kohlenträger und Stehgeiger ab und immer wieder Kinder, für die die verwinkelten Mietskasernen ein prima Abenteuerspielplatz waren. Der Kalender mit seinen Fotos, gedruckt im Diatoneverfahren, ist im Lehmstedt Verlag erschienen und kostet 19,90 Euro (50 x 42 Zentimeter).

NACH DER WENDE

Auch Fotograf Ulrich Weichert setzt im Jahreskalender des Deutschen Historischen Museums ganz auf Schwarz-Weiß, zielt aber nicht auf ästhetische Wirkung, sondern auf geschichtliche Dokumentation. Sein Motivkreis ist das Berlin der frühen Nachmauerzeit, als Ost- und West-Polizisten plötzlich plaudernd am Absperrgitter standen, diesem marginalen Rest des einst undurchdringlichen Eisernen Vorhangs. Als in der überflüssigen Mauer schon Riesenlöcher klafften und in Ost-Berlin der Kioskboom begann. Der wochenweise Tischkalender mit 53 Abbildungen ist im DHM-Buchladen und den Shops von Zeughaus und Pei-Bau erhältlich und kostet 10 Euro.

AM LIEBSTEN BLAUWEISS

Der Kalender „Stille Wasser“ der beiden Designer Sandra Siewert und Dirk Berger gibt sich ebenfalls strikt zweifarbig – diesmal in Weiß und homogenem Dunkelblau. Zu sehen sind Berliner Brunnen, die Fotos waren Grundlage einer Verfremdung durch äußerste Reduktion. Ergebnis sind Siebdrucke von erheblichem grafischen Reiz. Der Kalender ist unter anderem erhältlich bei S.Wert, dem Laden der beiden Designer in der Brunnenstraße 191, bei Hugendubel in der Tauentzienstraße und im Bücherbogen am Savignyplatz (18,50 Euro, 40 x 30 Zentimeter).

ACH, JOSEPHINE!

Ein Kalender, der schon im Titel das „Literarische Berlin“ feiert, kommt mit Bildern allein kaum aus. „Berlin amüsiert sich“ heißt er im Untertitel. Zum Foto der Tänzerin Josephine Baker beispielsweise gibt es Erinnerungen von Harry Graf Kessler, der sie bei dem Impresario Karl Vollmoeller traf, „bis auf einen roten Mullschurz völlig nackt“, was verglichen mit den anderen anwesenden Damen schon eine ganze Menge war. Ergänzend gibt es kurze Erläuterungen. Der wochenweise Jahreskalender ist in der Edition Ebersbach erschienen und kostet 22 Euro (24 x 32 Zentimeter).

NACHT DER FARBEN

Die Kongresshalle im Tiergarten als in Gelb erstrahlende Riesenmuschel, der Hauptbahnhof als blauschimmerndes Kunstobjekt, der Potsdamer Platz als Ansammlung bunter Kristalle – in den Nachtaufnahmen des Fotografen Jürgen Pollak erscheint die Stadt wie verzaubert, eine Farbenpracht vor nachtdunklem Hintergrund. Durch eine besondere Aufnahmetechnik werden Details sichtbar, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Für den Druck wurde eigens ein besonderes Verfahren entwickelt. „Berlin – Lichter einer Großstadt“ ist im Buchhandel oder unter www.neuerkunstverlag.de zu beziehen und kostet 29,90 Euro (44 x 32 Euro).

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