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Berlin: Kammergericht entscheidet neu über den „Präsidenten“

Haftgründe müssen erneut nachgewiesen werden – sonst könnte Mahmoud Al-Z. bald frei sein

In Sachen „Präsident“ muss das Kammergericht nun entscheiden: Zu prüfen sind die Gründe, die dafür sprechen, dass der mutmaßliche Rauschgifthändler in Untersuchungshaft bleibt. Die Prüfung der Haftgründe muss „unverzüglich“ erfolgen. Das geht aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hervor, den der „Präsident“ und drei andere Beschwerdeführer erwirkt hatten, um aus der Untersuchungshaft freizukommen. Wie viel Zeit die Richter nun haben, um den Anforderungen des Verfassungsgerichts zu entsprechen, wollte Gerichtssprecher Sönke Volkens nicht voraussagen.

Aus dem Groll darüber, dass Mahmoud Al-Z., alias „Präsident“, durchaus auf freien Fuß kommen könnte, machen die Ermittler der Kripo keinen Hehl: Besonders ärgerlich sei, dass man sich den ganzen komplexen Prozess hätte sparen können, wenn es vor drei Jahren gelungen wäre, den selbst ernannten König der Unterwelt abzuschieben. Der zehnfache Vater ist nicht, wie behauptet, libanesischer Bürgerkriegsflüchtling, sondern unter anderen Namen in der Türkei als Mahmut U. registriert. 2003 war es der LKA–Ermittlungsgruppe Ident gelungen, seine türkische Herkunft zu klären. Mit den falschen Personalien habe er sich ausländerrechtliche Duldungen und über Jahre hinweg für seine Familie Sozialhilfe erschlichen, lautet der Anklagevorwurf in einem weiteren Verfahren gegen Al-Z., in dem es um Urkundenfälschung geht. Wie immer das ausgeht – Al-Z. kann nicht abgeschoben werden. Die Ermittler der Ident erlebten eine böse Überraschung: Plötzlich hatten die türkischen Behörden den „Präsidenten“ völkerrechtswidrig ausgebürgert und in die Staatenlosigkeit entlassen –, weil er seinen Wehrdienst in der Türkei nicht angetreten hatte. „Das müssen wir jetzt wohl so hinnehmen“, sagte ein Ermittler. Doch ihm stellt sich die Frage: „Wie kann der sich von der Sozialhilfe, die er bekommt, eigentlich so teure Anwälte leisten?“

Auch andere Fragen stellen sich in diesem komplexen Prozess: Kriminalisten warnen, dass der Angeklagte Zeugen unter Druck setzen und Beweismittel vernichten könnte, wenn er freikommt. „Verdunkelungsgefahr“ nennt man das – eigentlich ein Haftgrund. Das Problem sei nur, dass die Vermutung, ein Angeklagter könnte etwas „verdunkeln“, dem Gericht nicht ausreicht. „Es müssen konkrete Beweise vorliegen, dass er beispielsweise aktiv versucht hat, Zeugen unter Druck zu setzen oder Beweise verschwinden zu lassen“, sagt der Chef des Bundes der Kriminalbeamten, Lutz Hansen. Dies sei „verdammt schwer nachzuweisen“.

Schließlich sei der mutmaßliche Drogenboss aus dem Rotlichtmilieu „nicht dumm“, wie ein Ermittler sagt. Käme er frei, könnten sämtliche Zeugen so sehr in Angst geraten, „dass sie selbst unter Zeugenschutz sich nicht mehr trauen gegen ihn auszusagen“, vermutet ein Ermittler. Für einen Kronzeugen, der einst enger Vertrauter des „Präsidenten“ war, sind im aktuellen Prozess etliche Personenschützer im Einsatz, die ihn vermummt in den Gerichtssaal begleitet haben.

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