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Berlin: Kampf um das Ufer

Das Bürgerbegehren „Spreeufer für alle“ will freien Zugang zum Wasser. Doch für viele Grundstücke gibt es schon Baugenehmigungen

Zwei Zukunftsbilder, so weit voneinander entfernt wie die Ufer der Spree. Da ist die Vision einer Boomtown am Wasser und das Versprechen von Arbeitsplätzen, gezeichnet von den Investoren des Verbunds „Mediaspree“. Und da ist das Schreckensbild mit hässlichen Hochhäusern, vertriebenen Zwischennutzern und unzugänglichem Uferstreifen – wie es die Initiative „Mediaspree versenken“ fürchtet. Um dies zu verhindern, sammelt sie derzeit überaus erfolgreich Unterschriften für ein Bürgerbegehren.

Die Initiative fordert, dass Neubauprojekte 50 Meter Abstand vom Ufer haben müssen und nicht höher als 22 Meter sein dürfen. In einem Monat kamen bereits über 4 000 Unterschriften zusammen, bis zum April muss die Initiative 5 500 gültige vorlegen, damit es zu einem Bürgerbegehren kommt. „Insgesamt wollen wir 20 000 sammeln, um die nötige Relevanz herzustellen“, kündigte Carsten Joost von der Initiative an.

Christoph Meyer, Mediaspree Geschäftsführer, reagiert gelassen: „Wir nehmen die Initiative ernst, sehen aber selbst bei einem erfolgreichen Bürgerentscheid keine großen Auswirkungen.“ Denn die meisten Filetgrundstücke an den beiden Ufern sind bereits vergeben und verplant. Alleine 13 Baupläne sind bereits festgesetzt und damit rechtskräftig. Projekte wie das Universal-Gebäude oder das Energieforum stehen längst. Die Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft (Behala) besitzt im Areal etwa 50 000 Quadratmetern mit neun Parzellen. Drei davon seien definitiv verkauft und für die anderen Grundstücke stünden Investoren Schlange, sagte Michael Reimann: „Wir führen Wartelisten.“

Auch Bodo Stöcker von der Polaris Immobilienmanagement GmbH, die die Heeresbäckerei auf Kreuzberger Seite verwaltet, beobachtet das Begehren „entspannt“. Denn die Baugenehmigung für einen Umbau liegt bereits vor. Darüberhinaus stehen die denkmalgeschützten Gebäude bereits nah am Wasser, daran kann auch die Forderung nach 50 Metern Mindestabstand nichts ändern. Zwischen Straße der Pariser Kommune und dem Anschutz-Areal um die O2-Arena besitzt die Deutsche Post ein großes Grundstück auf dem auch zwei Hochhäuser im Bebauungsplan festgesetzt sind. Das höchste soll 118 Meter in den Himmel ragen. „Das wird weiterhin Gegenstand der Vermarktung sein“, sagte ein Sprecher des Konzerns.

Wenigstens die Politiker in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg sollen umdenken, ist die Hoffnung der Initiative. Doch selbst da, wo das Begehren auf parteiübergreifende Zustimmung zählen kann, gibt es Probleme: Die Initiative fordert, keine weitere Autobrücke zwischen Kreuzberg und Friedrichshain zu bauen. Tatsächlich haben die Verordneten die geplante Brommybrücke als reine Fußgänger- und Radfahrerbrücke ausgewiesen, die lediglich für den Busverkehr freigegeben ist. Doch hier wird es noch einmal zu Nachverhandlungen kommen, sagt das Bezirksamt: EU-Fördergelder im Rahmen des Programmes „Stadtumbau West“ gibt es nämlich nur für eine Brücke, die den Wirtschaftsstandort begünstigt, also Autoverkehr zulässt. Soll heißen: Für eine Fußgängerbrücke ist kein Geld da.

Sollte das Bürgerbegehren im April 2008 erfolgreich sein, hat es dennoch nur eine begrenzte Wirkung. Denn rechtsbindend ist es nicht, sondern hat nur empfehlenden Charakter für die BVV. „Es zwingt die Verwaltung, etwas zu machen“, sagte der auf Baurecht spezialisierte Rechtsanwalt Bernd Neumeier. Es komme allerdings auf die Umsetzbarkeit an. Aufstellungsbescheide seien relativ schnell rückgängig zu machen. Das betrifft neun Flächen, etwa das „Columbus-Haus“ der Ingenieurbaufirma Wayss+Freytag oder auch den gesamten Osthafen, wo derzeit MTV-Europe seinen Sitz hat und noch weitere Medien- sowie Modeprojekte geplant sind. „Was in der Zwischenzeit passiert ist, lässt sich allerdings nicht ohne weiteres ändern“, sagt Neumeier.

Zumindest dürfte es teuer werden. „Sie können alles mögliche ändern, wenn Sie in der Lage sind, die Schadenersatzforderungen zu finanzieren“, sagte der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Bündnis '90/Die Grünen). Die möglichen Forderungen würden sich laut Initiative auf 51 Millionen Euro beschränken, doch Berechnungen des Bezirks belaufen sich auf über 160 Millionen Euro. Das ist viel Geld und der Bezirk ist arm. Gerade deswegen kann er auch die Investoren gebrauchen. „Friedrichshain-Kreuzberg braucht vor allem Arbeitsplätze“, sagte Bürgermeister Schulz. Insgesamt sollen durch die Bauprojekte und die anschließende Nutzung etwa 30 000 Jobs geschaffen werden.

Bangen müssen aber die bisherigen Zwischennutzer im Uferbereich. Clubs wie die „Bar 25“, „Yaam“ oder „Maria am Ufer“ bringen Leben dorthin, wo bisher nur Industriebrache war oder einst die Mauer stand. Denn historisch gesehen, hat das Ufer schon lange nicht mehr den Anwohnern gehört. Schon im 19. Jahrhundert hat es die Industrie genutzt, zu DDR-Zeiten war es Grenzgebiet. „Die guten Ideen zeigen, was das Areal für Qualitäten hat. Die negativen Auswirkungen kommen erst mit den neuen Nutzern“, befürchtet Carsten Joost.

Damit meint er die steigenden Mieten und die Verdrängung der Zwischennutzer. Denn die meisten Flächen am Ufer sind nur für Gewerbe zugelassen. Die wenigen neuen Wohnungen werden sich die durchschnittlichen Kreuzberger und Friedrichshainer nicht leisten können, der Wasserblick bleibt nur den zugezogenen Großverdienern, so die Befürchtung. Bürgermeister Schulz dagegen sieht den Zuzug positiv. Der Bezirk hat den Wrangelkiez untersuchen lassen. Heraus kam, dass es zwar eine erhebliche Fluktuation gab. Doch Bildungsniveau und Arbeitslosenquote blieben dabei nahezu gleich. „Für das Quartier ist es deshalb wichtig, dass neue Menschen mit neuen Ideen hinzukommen“, sagt Schulz.

Matthias Jekosch

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