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Berlin: Kampf um die Ehre

Politiker und Popstars aus der Türkei und Berlin setzen sich gemeinsam für die Rechte von Frauen ein

Wenn es darum geht, Zwangsehen und so genannte Ehrenmorde zu verhindern, arbeiten das Land Berlin und die Türkei immer intensiver zusammen. Bis zum gestrigen Freitag besuchte eine Delegation des türkischen Untersuchungsausschusses zu „Ehrenmorden“ für drei Tage die Stadt. Die Türkische Gemeinde hatte die Politiker und Experten nach Berlin eingeladen, um Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Sie trafen unter anderen die Integrationsbeauftragten von Bundesregierung und Senat, Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei/PDS).

Auch andere Berliner engagieren sich gegen „Ehrenmorde“: Oft sind sie türkischer, arabischer oder kurdischer Herkunft. Der Schöneberger Migrationsexperte Ahmet Dag und die Sivan-Perwer-Stiftung, die mit der Unesco kooperiert, laden am heutigen Sonnabend um 20 Uhr zu einem Konzert gegen Ehrenmorde mit türkischen und kurdischen Popstars ins Tempodrom.

Ehrenmorde seien kein typisch kurdisches, islamisches oder türkisches Phänomen, sagte Yakin Ertürk, UN–Sonderberichterstatterin über Gewalt gegen Frauen. Sie begleitete die türkische Delegation. „Vielmehr sind diese Morde ein soziales Problem.“ Seit etwa zehn Jahren ändere sich die Wahrnehmung in der Türkei, sagte Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschland. Das zeige schon die Existenz des Untersuchungsausschusses zum Thema Ehrenmord. Der erarbeitete die erste Statistik: In den vergangenen fünf Jahren wurden in der Türkei 1091 Morde und Mordversuche um der Ehre willen begangen. Allerdings seien unter den Opfern auch Männer. Denn zu den Mordtaten, die aus verletzter Ehre begangen werden, zählen auch die Tötungsdelikte zwischen verfeindeten Familien.

In Deutschland müsse sich ebenfalls etwas verändern, um Ehrenmorde zu verhindern und die Selbstbestimmung der Frauen voranzutreiben, sagte Yakin Ertürk. Das beginne bei der Integrationspolitik. Migration – auch innerhalb der Türkei, von der Stadt aufs Land – sei ein „Risikofaktor“. Denn viele Migranten hätten Angst, ihre Wurzeln zu verlieren. Frauen und Jugendliche zu unterdrücken, sei dann eine Art Verteidigungsstrategie.

Um Sensibilisierung geht es der türkischen Kommission deshalb. In Berlin trafen sie mit Vertretern von türkischen Vereinen zusammen. Aufklärungsarbeit unter ihren Landsleuten leisten auch die Organisatoren des heutigen Konzerts im Tempodrom. „Gemeinsam gegen Ehrenmorde und Gewalt an Frauen“ steht auf den Plakaten der internationalen kurdischen Kulturstiftung des Sängers Sivan Perwer, die überall in der Stadt für das Konzert mit türkischen und kurdischen Popstars werben. Es treten auf: Sivan Perwer selbst, die in der Türkei bekannte Sängerin Rojin und die Folkband Kardes Türküler. Die Künstler reisen aus ganz Deutschland, Europa und Asien für an.

Sie werden „in mehreren Sprachen erklären, warum sie sich gegen Zwangsheirat und ,Ehrenmorde‘ einsetzen“, sagt der Organisator Ahmet Dag. Der gebürtige Kurde mit deutschem Pass ist im Migrationsrat von Verdi und hat die Migranteninitiative gegen Antisemitismus in Kreuzberg begründet. Mit den Einnahmen (Eintritt ab 15 Euro) wird ein Frauenzentrum in der kurdischen Stadt Diyarbakir unterstützt. Nur eins sei schade: „Wir haben auch Nena und deutsche Politiker eingeladen, aber keine Zusagen bekommen.“

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