zum Hauptinhalt

Berlin: Kanal voll

51 Millionen Euro teure Wassertrasse in der Kritik 5000 Neugierige kamen gestern zur Baustelle.

Senftenberg – Es gibt Aufregung um den 51 Millionen Euro teuren Sportbootkanal im Lausitzer Seenland. Brandenburgs Politik ist alarmiert, dass das allein vom Land finanzierte Tourismusprojekt jetzt das Achtfache der veranschlagten sechs Millionen Euro kostet und im Sommer 2013 zwei Jahre später als geplant fertig wird. Während im Landtag der Ruf nach Aufklärung und Konsequenzen laut wird, die Beteiligten zerknirscht auf die Rechnungshofrüge reagieren, hofft die Region auf den Kanal. Am Wochenende pilgerten rund 5000 Schaulustige zum „Tag der offenen Baustelle“ an der 1050 Meter langen neue Wassertrasse zwischen dem Senftenberger See und dem Geierswalder See, für die bereits die Bundesstraße 96 und das Bett der Schwarzen Elster untertunnelt worden sind.

Das Infrastrukturministerium (MIL) gesteht Versäumnisse bei dem Projekt ein, das in seinem Auftrag von der bundeseigenen LMBV–Bergbausanierungsfirma realisiert wird. „Da gibt es nichts zu beschönigen“, sagt Sprecher Jens-Uwe Schade. „Da ist alles schiefgelaufen.“ Man werde versuchen, mit der LMBV über Regress nachzuverhandeln. Die Chancen dafür sind gering, da der Vertrag keine Klauseln enthält. Danach bezieht die LMBV – egal wie teurer es wird – ein 13-Prozent-Honorar. Die LMBV selbst ist „unglücklich“ über die Entwicklung, wie Sprecher Uwe Steinhuber sagt, verweist aber auf „sachliche Ursachen“. So habe nach zwei Hochwässern der Straßentunnel verstärkt werden müssen. „Irgendwann gab es den Punkt, wo es kein Zurück mehr gab.“

Dem Finanzausschuss des Landtages, der am 6. September den Fall berät, reicht das nicht. „Es ist verantwortungsloser Umgang mit Landesmitteln“, sagt der Vorsitzende Ludwig Burkardt (CDU). Er erwartete eine Erklärung von Minister Jörg Vogelsänger (SPD). Der Rechnungshof hatte, was selten geschieht, den Landtag sogar direkt eingeschaltet. Um „künftigen Fehlentwicklungen“ vorzubeugen, so die Begründung. Denn bis 2017 soll in der brandenburgischen Lausitz noch mehr als eine halbe Milliarde in die Bergbausanierung fließen. Und mit Blick darauf hält es selbst die Lausitzer SPD-Abgeordnete Martina Gregor-Ness für erforderlich, „genau zu schauen, was schieflief, und daraus Konsequenzen zu ziehen.“ Es sei ärgerlich, dass die LMBV anders als bei eigenen Projekten die bisher übliche Punktlandung nicht schaffte.

Für Grünen-Fraktionschef Axel Vogel besteht der Verdacht, dass schon beim Start des Kanals gemauschelt wurde, der den schon heute als „Badewanne Dresdens“ geltenden Senftenberger See an die aus gefluteteten Tagebauen entstehende neue Seenplatte anbinden soll. Das Projekt war einst wegen geschätzter 30 Millionen Kosten bereits verworfen, ehe eine Studie mit der Sechs-Millionen-Prognose den Weg doch noch frei machte. Für Vogel gab es eine „beispiellose Kumpanei“ von LMBV und MIL, das als „Kontrollinstanz“ versagt habe, den Überleiter 12 wollte, „koste es was es wolle“. So sei hier anders als bei touristischen Kanalprojekten in Brandenburg auf die übliche Kosten-Nutzen-Analyse nach bundesweiten Standardverfahren verzichtet worden, was auch der Hof rügt. Nach der Berechnung, so Vogel, würde hier selbst im besten Fall, dass irgendwann einmal so viele Sportboote den Kanal befahren sollten wie am touristischen Werbellinkanal (5000 pro Jahr), immer noch jede Kanalfahrt mit mehr als 650 Euro bezuschusst. Vogel fordert ernsthafte Prüfungen, Mitarbeiter von MIL und LMBV in Regress zu nehmen.Thorsten Metzner

Zur Startseite