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Der Abwasserkanal liegt drei Meter unter der Straße.

© Doris Spiekermann-Klaas

Kanalarbeiten in Berlin: Alte Rohre werden neu - auch ohne Bagger

Die Wasserbetriebe kommen dank neuer Technik oft ohne Baugruben aus. Statt wie früher Straßen aufzureißen, wird ein neues Rohr in den alten Abwasserkanal gefädelt. Der Sanierungsbedarf ist gewaltig.

Die Zukunft der Berliner Abwasserkanäle steckt drei Meter tief im Untergrund und riecht bei Kontakt mit UV-Licht so markant harzig wie ein Altberliner Schusterladen. Am Mittwoch haben die Berliner Wasserbetriebe (BWB) in die Stralsunder Straße nach Wedding geladen, um zu zeigen, was man kaum noch sieht: die Reparatur eines uralten Abwasserkanals. Früher wurde dafür monatelang die Straße aufgegraben – Parkverbote und Nervenzusammenbrüche der Anlieger inklusive.

Neuerdings werden stattdessen manche alte Kanäle mit sogenannten Inlinern ausgekleidet: Schläuche aus Glasfaserverbund mit Kunstharz, die in die bröseligen Steinzeugröhren gezogen, mit Druckluft aufgeblasen und mit UV-Licht ausgehärtet werden. Das dauert kaum mehr als einen Tag und soll 50 Jahre halten. „Wir ham also hier ein vierhunderter Rohr“, setzt Kai Riewe zur Erklärung an. Er leitet den Bautrupp und steht am Heck des 650000 Euro teuren BWB-Lastwagens, in dem die Technik steckt: Kabelrollen, Monitore für die Kanalkameras, der „Lichtzug“ mit acht 400 Watt starken UV-Strahlern und ein Anschluss für den Druckluftschlauch. Ein vierhunderter Rohr ist 40 Zentimeter dick. Es dient der Mischkanalisation, nimmt also sowohl die Abwässer der Häuser als auch das Regenwasser von der Straße auf und leitet beides ins Klärwerk.

Nur eben nicht heute: Nachdem Kollegen die durch Muffen gebildeten Unebenheiten herausgefräst haben, kleistert der Schlauch jetzt einen 70 Meter langen Abschnitt zu. Das Material härtet so schnell, dass schon am Nachmittag andere Kollegen kommen können, um die ebenfalls verkleisterten Hausanschlüsse wieder freizuschneiden. Deren Lage wurde vorher exakt erfasst – ebenso wie die Schäden am alten Kanal. Die Muffen seien besonders anfällig, erklärt Riebe: Ein Angriffspunkt für Baumwurzeln, die beim ersten noch so winzigen Leck dann umso doller weiterwachsen, um an das (Ab-)Wasser zu gelangen.

Der neue Schlauch braucht keine Muffen. Außerdem ist er so dünn, dass aus dem vierhunderter Rohr einfach ein dreihundertneunziger Rohr wird, also nur ein Zentimeter verloren geht. Der reicht fürs häusliche Abwasser in Zeiten von A+++-Geräten und Toilettenspartasten locker aus. Wo allerdings das Regenwasser schon jetzt manchmal überläuft oder der alte Kanal allzu morsch ist, muss weiter gebuddelt werden. Zumal im Kanalnetz Tausende teils gravierende Schäden bekannt sind.

Nachdem die Wasserbetriebe in den vergangenen Jahren vor allem die Gebiete mit Sammelgruben ans Netz angeschlossen haben, kümmern sie sich jetzt verstärkt um den Bestand: 567 Millionen Euro für 390 Kanalkilometer sind bis 2019 avisiert. Wohl den Berlinern, unter deren Straße die unauffällige Variante möglich ist.

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