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Hans-Christian Ströbele, Parteimitglied der Grünen, wäre mit seinen 73 Jahren der älteste Kandidat im Bundestag.

© dpa

Kandidaten für Bundestagswahl 2013: Berliner Urgesteine müssen sich entscheiden

In gut einem Jahr wird der nächste Bundestag gewählt – und fünf Polit-Oldies stehen vor der Entscheidung, ob sie noch einmal antreten. Der Nachwuchs will den Generationswechsel. Aber nicht jede Hoffnung auf einen Listenplatz ist berechtigt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Fünf Senioren, die für Berlin im Bundestag sitzen, müssen sich nach den Sommerferien entscheiden, ob sie zur Wahl 2013 für ihre Parteien noch einmal antreten. Der älteste von ihnen ist Hans-Christian Ströbele, grünes Urgestein, 73 Jahre alt, aber noch fit. Gefolgt von Wolfgang Thierse, ostdeutsche Symbolfigur der SPD, 68 Jahre und auch sehr agil. Dessen Parteifreundin Petra Merkel, der Grünen-Rechtsexperte Wolfgang Wieland und der Guru der Linken, Gregor Gysi, feiern im nächsten Jahr bei hoffentlich guter Gesundheit ihren 65. Geburtstag.

Gemeinsam verkörpern sie immerhin 74 Jahre bundespolitische Parlamentserfahrung. Alle Fünf haben wichtige Funktionen und keiner von ihnen ließ bisher eindeutig erkennen, in den Ruhestand treten zu wollen. Sie haben wohl alle die freie Wahl und müssen nicht damit rechnen, bei einer Kandidatur durchzufallen. Ströbele und Gysi, Merkel und Wieland werden parteiintern sogar ermuntert, noch eine Runde zu drehen. Der Bundestags-Vizepräsident Thierse hat es im unruhigen SPD-Kreisverband Pankow schwerer. Dort dürstet es vor allem die jüngeren Genossen nach einem Generationswechsel.

Doch einen der prominentesten Nachwendepolitiker in Deutschland bei der Nominierung für den Bundestag durchfallen zu lassen – dazu gehört Mut. Mit einem Gegenkandidaten muss er trotzdem rechnen. Der linke Umweltexperte Klaus Mindrup, Chef des SPD-Ortsverbands rund um den Kollwitzplatz, ist dem Vernehmen nach interessiert an einem Bundestagsmandat. Also müssen sich bei der Nominierung für Pankow voraussichtlich zwei Kandidaten dem Votum der SPD-Basis stellen. Denn nicht die Delegiertenkonferenz, sondern eine bezirkliche Vollversammlung soll entscheiden.

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Es könnte gut sein, dass auch andere Kreisverbände der Sozialdemokraten die breite Mitgliedschaft befragen wollen. Jedenfalls dann, wenn Kampfkandidaturen anstehen. Vielleicht wird auch in der CDU, jedenfalls in strittigen Einzelfällen, die Parteibasis bemüht. Zum Beispiel in Steglitz-Zehlendorf. Dort muss sich der Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann darauf einrichten, dass ihn Ex-Justizsenator Michael Braun herausfordert. Der einflussreiche Ortsverband Dahlem, der seinen Kandidaten Wellmann unterstützt, forderte bereits eine Befragung der Parteibasis. Für die Grünen gehören Mitgliederversammlungen zur Nominierung von Kandidaten ohnehin zum guten Ton.

In Pankow hat die SPD und in Steglitz-Zehlendorf die Union gute Karten, ihren jeweiligen Kandidaten auf dem direkten Weg in den Bundestag zu bringen. Kein Wunder, dass es in beiden Bezirken munter zugeht. Nach aktuellen Meinungsumfragen sieht die Lage so aus: Die SPD kann in Mitte, Pankow, Charlottenburg-Wilmersdorf, Spandau und Neukölln mit einem Direktmandat rechnen. Die CDU in Reinickendorf, Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg. Die Linken können sich Hoffnung auf die Wahlkreise Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick machen. Friedrichshain-Kreuzberg wird den Grünen nicht zu nehmen sein

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Noch ist nicht aller Tage Abend, aber eine solche Konstellation bringt vor allem die SPD in Verdrückung. Sollten die Sozialdemokraten fünf Wahlkreise erobern, kämen nur noch ein oder zwei Listenmandate hinzu. Deshalb wird es auf der Landesvertreterversammlung im Frühjahr 2013, die die SPD-Wahlliste beschließt, ein schönes Gedränge geben. Einige Genossen werden wohl vergeblich auf interne Zusagen für ein Bundestagsmandat pochen, die die Parteiführung um Jan Stöß im Vorfeld seiner Wahl zum SPD-Landeschef gab, um die neuen Mehrheiten im Landesverband abzusichern.

Aber der Reihe nach. Die SPD-Bundestagsabgeordneten Eva Högl (Mitte), Petra Merkel (Charlottenburg-Wilmersdorf) und Wolfgang Thierse (Pankow) haben gute Chancen auf ein Direktmandat. Das gilt auch für den Vize-Landeschef der SPD, Fritz Felgentreu in Neukölln. Dagegen kündigt sich in Spandau ein Zweikampf zwischen dem SPD-Bundestagsabgeordneten Swen Schulz und dem Parteilinken und Umwelt- und Verkehrsfachmann Daniel Buchholz an. Möglicherweise mischt dort auch die neue SPD-Landeskassiererin Ulrike Sommer mit.

In Friedrichshain-Kreuzberg hat Ströbele seit 2002 ein Direktmandat. Verzichtet er jetzt auf eine neue Kandidatur, gilt der Parteilinke Dirk Behrendt als heißer Favorit der Grünen. Sollte der SPD-Parteichef Stöß in den Bundestag streben, was ihm nachgesagt wird, hätte er in Friedrichshain-Kreuzberg keine guten Karten und müsste sich über die Landesliste absichern lassen. Über einen Listenplatz könnten auch die Grünen Renate Künast, Wolfgang Wieland und Lisa Paus wieder in das Bundesparlament einziehen.

Bei der CDU, die nach derzeitigem Stand sechs Mandate erhalten dürfte, sind der Unternehmer Frank Steffel (Reinickendorf), die Wissenschafts- und Kulturpolitikerin Monika Grütters (2013 vielleicht in Charlottenburg-Wilmersdorf?) und der CDU-Generalsekretär Kai Wegner (Spandau) gesetzt. Steffel hat den Wahlkreis Reinickendorf so gut wie in der Tasche und die beiden anderen werden ganz sicher über die Liste abgesichert. In Tempelhof-Schöneberg kann sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak Hoffnung auf eine zweite Runde machen. Für die Neuköllner Parteifreundin Stefanie Vogelsang gilt das wegen interner Querelen nicht.

Die Linken-Promis Petra Pau (Marzahn-Hellersdorf), Gesine Lötzsch (Lichtenberg) und Gregor Gysi (Treptow-Köpenick) können wieder mit Direktmandaten rechnen. Schwierig dürfte es für Stefan Liebich werden, der 2009 in Pankow antrat. Denn die Linke in Berlin wird 2013 wohl nur noch drei Sitze im Bundestag haben. Die FDP, seit 2009 mit drei Abgeordneten vertreten, könnte sogar leer ausgehen. Dagegen dürfen die Piraten auf drei Mandate hoffen. Viele, viele Mitglieder wollen sich bewerben.

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