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Berlin: Kandidaten für die Rolle des Köpenicker Originals stellten sich einer Jury vor

Eigentlich sind seine Freunde schuld, dass Thomas Breitkopf gleich in Uniform auf der kleinen Bühne des Schlossplatztheaters posieren muss. Die haben ihn angeregt, beim "Hauptmann-Casting" mitzumachen.

Eigentlich sind seine Freunde schuld, dass Thomas Breitkopf gleich in Uniform auf der kleinen Bühne des Schlossplatztheaters posieren muss. Die haben ihn angeregt, beim "Hauptmann-Casting" mitzumachen. "Das ist eine Paraderolle für dich", haben sie gesagt. Deshalb will der 52-Jährige ehemalige Köpenicker Bezirksverordnete gleich sein Bestes geben. "Aber ich gehe die Sache total locker an", betont der Kneipenwirt, der zum ersten Mal in seinem Leben eine richtige Bühne betritt.

Nicht nur Scheinwerfer sind plötzlich auf den Uniformierten gerichtet, sondern auch prüfende Blicke: Eine siebenköpfige Jury, in der unter anderem der Bezirksbürgermeister Klaus Ulbricht und Professor Michael Keller von der Hochschule für Schauspielkunst mitwirken, beobachten genau seine Vorstellung. Sie bewerten am Ende Sprache, Bewegung, Interpretation und musikalisches Können. Schließlich muss ein würdiger Nachfolger für den Schaupieler Manfred Korth gefunden werden, der die Figur seit 29 Jahren verkörpert hatte und nun in den Ruhestand geht. Breitkopf hat sichtlich Freude an seiner Rolle, als er die Anwesenden auffordert, zu seiner Begrüßung aufzustehen. "So wie man halt einem Hauptmann gegenübertritt!", brüllt er in den kleinen abgedunkelten Raum. Als sich niemand erhebt, wiederholt er zackig seinen Befehl. Jetzt endlich steht die Jury. Der Hauptmann auf der Bühne lächelt verschmitzt, weil man ihm endlich Respekt zollt.

So ähnlich muss sich vor 94 Jahren der Schuster Wilhelm Voigt gefühlt haben, als er in geliehener Hauptmannsrobe den Köpenicker Bürgermeister festnahm und die Stadtkasse beschlagnahmte. Mit im Zuschauerraum sitzt Breitkopfs 87-jährige Mutter, die ihrem Sohn die höchste Punktzahl gibt. "Ich bin stolz auf ihn und hätte nie gedacht, dass er so gut ist", sagt sie anerkennend.

Der zweite Hauptmann, der sich an diesem Vormittag vorstellt, hätte wohl besser an einem Schlagerwettbewerb teilnehmen sollen. Knut Geipel, 49-jähriger Schauspieler, überrascht mit schmusigen Songs von Engelbert Humperdinck und Howard Carpendale. Was dies allerdings mit der Köpenickiade zu tun hatte, blieb offenbar auch der Jury verschlossen. Geipel hat für seinen Auftritt nur eine Begründung: "Nicht jeder präsentiert sich eben gleich", sagt er ein wenig vergnatzt. Das Stegreifspiel, bei dem er die Festnahme des Bürgermeisters darstellen soll, bringt er dann doch noch recht gut rüber. Die Jury macht sich Notizen, und ein Mitglied gibt zu verstehen, "dass der garantiert nicht das Rennen macht." Ur- und nun Ex-Hauptmann Manfred Korth hält sich dagegen bedeckt. "Ich will mich noch nicht zu den Leistungen äußern", sagt der 72-Jährige. Aber er gibt zu, vier Favoriten unter den insgesamt 12 Castingbewerbern zu haben, von denen am Mittwoch die ersten sechs getestet werden. Die anderen sind nächste Woche dran. Es sind nicht nur professionelle Schauspieler, sondern beispielsweise auch Ingenieure, die in die Uniform schlüpfen wollen. Ende März soll dann feststehen, wer künftig zu Repräsentationszwecken den Bezirk vertritt.

Für Jürgen Hilbrecht, der neben Wolfgang Korth seit längerem die Hauptmannsrolle spielt, ist der Auftritt im Schlossplatztheater schon etwas Besonderes. "Ich bin ein Profi", sagt er "und habe deshalb schon lange nicht mehr vorgesprochen." Wahrscheinlich stehen ihm deshalb nach wenigen Minuten Schweißperlen auf der Stirn. Er trägt als einziger keine Uniform und hält im Gegensatz zu den anderen einen Vortrag: Über seine 500 Berlin-Programme, die er inzwischen absolvierte, über Werbeprospekte, neue Veranstaltungsideen und so weiter. Die Jury lehnt sich teilweise kopfschüttelnd zurück. Erst als er eine Art Hauptmann-Sketch spielt und die Improvisationsaufgabe meistert, hellen sich die Gesichter wieder auf.

Steffi Bey

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