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Berlin: Kandidaten gesucht

Wer bei der Jüdischen Gemeinde als Vorsitzender im Gespräch ist

Am Telefon klingt er fröhlich. Alexander Brenner, Noch-Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, freut sich, weil viele ihn bitten würden, wieder anzutreten: „Alexander, versuch’s noch mal“, sagen sie. Genugtuung für Brenner, den seine Vorstandskollegen für die dramatische Führungskrise der Gemeinde verantwortlich machen.

In der Nacht zum Donnerstag hatte sich, wie berichtet, die Repräsentantenversammlung der Gemeinde (RV) aufgelöst und so vorgezogene Neuwahlen erzwungen. Nach dem Eklat ist der fünfköpfige Vorstand noch bis zur Konstituierung einer neuen RV kommissarisch im Amt. Der Wahlkampf hat gestern begonnen – mit einem heftigen Geraune und Gerangel um die Kandidaten für den Vorsitz.

Will Brenner denn den Stimmen folgen, die ihn rufen? „Das Lob tut gut“, sagt er. Aber er müsse sich eine erneute Kandidatur „gut überlegen“. Auf keinen Fall wolle er noch einmal mit einem feindseligen Vorstand zusammenarbeiten. Brenners Verdruss ist symptomatisch für die schlechte Stimmung in der Gemeinde. Auch deshalb sind die „neuen Kräfte“, nach denen alle rufen, nur schwer zu finden. Seit dem Tod des Nachkriegsvorsitzenden Heinz Galinski krankt die Gemeinde an internen Querelen.

Der einzige Kandidat, der sich bislang öffentlich um eine Führungsposition bewirbt, ist der Rechtsanwalt Albert Meyer. Als langjähriges RV-Mitglied kennt er die Jüdische Gemeinde, hält sie aber trotz aller Querelen für regierbar. Meyer möchte die defizitäre Gemeindekasse mit Hilfe eines Finanzmanagers sanieren. Am liebsten will Meyer Vorsitzender der RV werden. Für den Vorsitz der ganzen Gemeinde fehle ihm die Zeit. Aber „zur Not“ stünde er auch als Vorsitzender zur Verfügung. Meyers bislang größter Erfolg in der Gemeinde: Er baute die liberale Synagoge am Hüttenweg (Zehlendorf) auf. Damit wäre er ein geeigneter Gegenspieler Brenners, der sich zum orthodoxen Ritus bekennt. Allerdings gilt Meyer als undiplomatisch und polemisch. Dabei fehlt ein Moderator, der die vielen Gegensätze innerhalb der Gemeinde ausgleicht.

Brenners Vorgänger Andreas Nachama hat sich bereits gegen eine Kandidatur entschieden. Er will die politische Gemeindearbeit ganz aufgeben. „Es war so unangenehm in letzter Zeit, das kann ich mir nicht mehr antun“, sagt der Historiker, der heute die Gedenkstätte Topographie des Terrors leitet. Und selbst Kulturdezernent Moishe Waks – schon seit Jahren am Vorsitz interessiert – hält sich bedeckt. Er wolle für die RV kandidieren, aber in die Führungsrolle dränge er nicht mehr. Seit einem Jahr ist Waks Vater, „und da haben sich die Interessen stark verschoben“. Er macht von der künftigen RV abhängig, ob er sich eine Kandidatur doch noch überlegt. Als weitere Kandidaten sind die Sozialdezernentin Cynthia Kain und das russischstämmige RV-Mitglied Michail Rebo im Gespräch.

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