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Privatsachen. Renate Künast und Rüdiger Portius traten schon 2005 gemeinsam bei der Aids-Gala auf.

© dpa

Künast-Hochzeit: Kann denn Liebe Wahlkampf sein?

Renate Künast hat geheiratet – im Stillen, und schon im Februar. Das hat sie nun öffentlich gemacht. Zufällig jetzt oder gerade jetzt? Was Privates mit Politik und gezieltem Timing zu tun haben kann

Die Ehefrau trägt ihren Ring also an der linken Hand, das hat ganz praktische Gründe, weil sie mit der rechten so oft Hände schütteln muss. Gerade jetzt, im Wahlkampf. Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast, 55, hat im Stillen geheiratet – ihren langjährigen Lebensgefährten, den Strafverteidiger Rüdiger Portius, 67. Die Öffentlichkeit hat das jetzt aus der Bild-Zeitung erfahren, und dazu hat das Boulevardblatt Bilder des fröhlichen Paares am See gestellt. Die „heimliche Hochzeit“ hatte schon zu Beginn des Jahres, am 22. Februar, stattgefunden. Künasts Outing aber kommt gerade jetzt. Wollte das Wahlkampfteam es bei der mitunter hart wirkenden Spitzenkandidatin mal richtig menscheln lassen? Darüber werden Parteifreunde und Opposition nun sicher diskutieren.

Renate Künast und der Anwalt Rüdiger Portius, der sich als Leiter des Strafrechtsausschusses der Berliner Rechtsanwaltskammer und auch als Verteidiger im „La Belle“-Prozess einen Namen gemacht hat, standen jedenfalls nicht unter akutem Druck, der Boulevardpresse in Sachen Partnerschaft zuvorzukommen.

Friedbert Pflüger betonte im Wahlkampf 2006 seine Vaterrolle.
Friedbert Pflüger betonte im Wahlkampf 2006 seine Vaterrolle.

© ddp

Das war bei dem damaligen SPD-Spitzenkandidaten Klaus Wowereit anders. „Ich bin schwul, und das ist auch gut so“ – sein Statement kurz vor einem medial erzwungenen Outing wurde zum geflügelten Wort. Renate Künasts Sprecher Andreas Schulze erklärte, man habe sich besprochen, wie mit der Heirat öffentlich umzugehen sei. „Und das ist ja nichts, was man verheimlichen muss.“ Allerdings habe es sich nach der Eheschließung auf dem Standesamt Charlottenburg erst „verboten, mit großem Trara“ zu der späten Hochzeit Stellung zu nehmen. Denn das Paar hatte sich Anne Klein und ihre Lebenspartnerin als Trauzeugen gewünscht. Die ehemalige Berliner Senatorin war neun Wochen nach Künasts Eheschließung an Krebs verstorben. Nach dem „Abstand, den sich beide nahmen“, habe man nun darüber diskutiert, „wie macht man so was, das zu erklären“, und sich entschieden, dass „jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen sei“. Auch wenn mit Fotos und Liebesbekenntnis „ein Stück Boulevard dabei“ sei.

Der Auftritt der ganz privaten Künast gerade jetzt – eine Wahlkampftaktik? „Das wäre ein böse Unterstellung, die Hochzeit hat doch stattgefunden, ist das dann auch Wahlkampf?“, fragt Künasts Sprecher.

Dass Klaus Wowereit seinen Partner Jörn Kubicki liebt, teilte er vor zehn Jahren auf einem Parteitag mit.
Dass Klaus Wowereit seinen Partner Jörn Kubicki liebt, teilte er vor zehn Jahren auf einem Parteitag mit.

© ddp

In der Berliner Wahlkampf-Geschichte haben jedenfalls immer wieder Kandidaten versucht, bei den Wählern mit Privatem zu punkten. Beispielsweise erzählte die Frau des einstigen CDU-Spitzenkandidaten Friedbert Pflüger 2008 der Presse von schlaflosen Nächten ihres Mannes. Im Wahlkampf ließ der nicht eben aussichtsreiche Kandidat sich immer wieder gern mit seinen Kindern fotografieren. Matthias Platzeck, Brandenburgs SPD-Regierungschef, musste sich mit Vorwürfen einer inszenierten „Wahlkampf-Hochzeit“ auseinandersetzen, obwohl er und seine Frau Jeanette Jesorka sich lange vorm Wahlkampf das Ja-Wort gaben.

Nun also die „emanzipierte Politik-Powerfrau“, keine Kinder, ledig, wie es in dem Beitrag heißt, die früh gegen Kinder, Küche, Kirche rebellierte. Eine Heiratsgegnerin sei Künast nie gewesen, sie fand aber den Trauschein nicht zwingend nötig. Das habe sich bei ihren Partner in den vergangenen Jahren geändert. „Da fand ich Hochzeit eine notwendige Aussage. Zu heiraten bedeutet für mich, füreinander einzustehen“, sagte sie der „Bild“. Und: „Ich mag seine Ruhe und Ausgeglichenheit. Er bringt mich zum Lachen.“

Wäre eine andere Art der Bekanntgabe passender gewesen? „Die Bild hat schon eine hohe Auflage“, sagt Oskar Niedermayer, FU-Professor und Wahlforscher. Er glaubt bei Künasts Geständnis aber nicht an Wahlkampftaktik einer bürgerlicher gewordenen Grünen. „Die Nähe zu bestimmten Wählergruppen wird ja oft durch das Betonen der heilen Familienwelt hergestellt. Bei ihrer Klientel und Randwählern wird sie damit aber nicht punkten, Ehe ist nicht Kern des grünen Weltbildes.“ Der Wahlforscher Niedermayer glaubt, „das gibt jetzt ein, zwei Tage Schlagzeilen, dann ist die Wirkung verpufft. Wenn sie länger gewartet hätte in Richtung September, dann hätte man ihr erst recht Wahlkampf vorgeworfen.“

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