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© Mike Wolff

Leserdebatte: Kann eine "Task-Force" Neuköllns Probleme lösen?

Mit einer neuen Einsatztruppe will Neuköllns Bürgermeister Buschkowsky Daten über "Risikopersonen" sammeln - und wenn nötig eingreifen. Wird dieser Ansatz den Problemen im Kiez gerecht? Diskutieren Sie mit!

Ein Jahr ist es her, dass eine Delegation um den Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) nach Rotterdam kam, sah und staunte. Denn dort gibt es in Stadtteilen mit großen sozialen Problemen „Transfer Informations Punkte“ (TIP). In diesen bezirklichen Dienststellen werden Informationen aus verschiedenen Behörden über „Risikopersonen“ gesammelt, die entweder bereits durch kriminelle Handlungen aufgefallen sind, oder von denen man fürchtet, dass sie auf die schiefe Bahn geraten könnten. Es bleibt aber nicht bei der Datensammlung. Die beteiligten Behörden werten die Daten aus und versuchen einzugreifen, bevor Personen in Not, Kriminalität oder etwa in die Drogenszene abdriften.

Buschkowsky, der Neuköllner Migrationsbeauftragte Arnold Mengelkoch und Jugendrichterin Kirsten Heisig waren begeistert. So etwas wie das TIP wünschen sie sich auch für den Norden Neuköllns. Die geplante „Task Force“ für den Schillerkiez ist der Versuch, dem TIP ein bisschen näher zu kommen. Ein bisschen nur, da allen Beteiligten klar ist, dass ein solch freier Informationsfluss zwischen Ämtern wie in Rotterdam in Deutschland aus Datenschutzgründen nicht möglich ist.

Aber die Grundidee ist ähnlich: Alle Ämter, die mit sozial schwierigen Familien im Schillerkiez zu tun haben (Jugendamt, Schulamt, Polizei, Migrationsbeauftragter, Schulaufsicht, Bau- und Wohnungsaufsicht, Quartiersmanager) sollen Informationen austauschen, sodass man gemeinsam schon im Vorfeld einschreiten kann, bevor es zu gravierenden Schulversäumnissen, Verwahrlosung oder kriminellen Taten kommt.

Trotz vieler präventiver Maßnahmen durch die Quartiersmanager hätten sich die Probleme in einzelnen Häusern in der Okerstraße oder auf der Schillerpromenade verschlechtert, heißt es in dem Konzept zur „Task Force“. Ohne die Unterstützung der zuständigen Behörden, die gegebenenfalls intervenieren, seien die vom Quartiersmanagement initiierten Projekte teilweise „gänzlich wirkungslos und damit eine Verschwendung öffentlicher Mittel“. Solange die einzelnen Fachverwaltungen ihre Arbeit im wesentlichen auf das eigene Ressort beschränken, werde sich die Situation nicht nachhaltig bessern. „Die Vernetzung der einzelnen Fachämter im Bezirk ist zwar punktuell vorhanden – so informiert das Schulamt seit 2008 automatisch das Jugendamt bei Schulversäumnisanzeigen –, dies führt aber nicht in jedem Fall zu einem abgestimmten Handeln und konsequenten Vorgehen“, heißt es weiter.

Im Klartext: Jede Behörde sammelt die für sie notwendigen Informationen. Nur bei konkreten Anlässen, bei denen Menschenleben gefährdet sind, dürfen die Daten bisher weitergegeben werden. Nicht aber im Vorfeld.

Ein Beispiel, wie es künftig anders laufen könnte: Wenn Eltern mit ihren Kindern nicht zu den vorgeschriebenen Gesundheitsuntersuchungen kommen, könnten die Stadtteilmütter informiert werden und die Familien besuchen. Lehnen die Familien einen Besuch ab, könnten die speziell für Migranten zuständigen Mitarbeiter bei der Polizei herausfinden, in welcher Moschee die Familie betet und den Imam bitten, auf sie einzuwirken.

Nicht in allen Ämtern, die bei der „Task Force“ mitmachen sollen, freut man sich über die Idee. Daten über Familien, besonders über Kinder und Jugendliche, sind sensible Informationen. Je mehr davon Kenntnis haben, umso größer ist die Gefahr, dass die Informationen in falsche Hände geraten. Und ist tatsächlich etwas gewonnen, wenn nicht nur das Jugendamt weiß, dass ein Vater Alkoholiker ist, sondern auch der Lehrer seines Sohnes?

Am heutigen Freitag wollen sich Bürgermeister Buschkowsky und Berlins Datenschutzbeauftragter Alexander Dix über die Pläne austauschen. „Wenn es um den Datenfluss zwischen Behörden geht, muss das juristisch genau geprüft werden“, sagte Dix’ Sprecherin. Für den Neuköllner SPD-Chef Fritz Felgentreu ist der Datenschutz kein Hindernis, damit sich etwa bei der Verfolgung von Jugendkriminalität Schulen, Jugendamt und Polizei austauschen. Das Datenschutzgesetz sei an den „Grundsatz der Erforderlichkeit“ gebunden und könne verändert werden.

Mit einer neuen Einsatztruppe will Neuköllns Bürgermeister Buschkowsky Daten über "Risikopersonen" sammeln - und wenn nötig eingreifen. Wird dieser Ansatz den Problemen im Kiez gerecht? Diskutieren Sie mit!

Claudia Keller

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