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Berlin: Kanzleramt: Der Balkon ist ganz bescheiden

Überschwänglich soll sich der Kanzler nicht gerade über sein neues Amt ausgelassen haben, räumen die Architekten und der Bauherr ein. "Aber auch nicht abfällig.

Überschwänglich soll sich der Kanzler nicht gerade über sein neues Amt ausgelassen haben, räumen die Architekten und der Bauherr ein. "Aber auch nicht abfällig." Die Portion Skepsis sei aber normal, "jeder, der bald in ein neues Haus einzieht, hat Herzklopfen", sagt Bauleiter Hans Haverkamp über den Neubau von Axel Schultes und Charlotte Frank. In der Tat wird Gerhard Schröder schon bald, noch im April, in das Kanzleramt an der Spree ziehen, und zwar in den schönsten Teil im 7. und 8. Stock. Von einem sehr kleinen Balkon kann Schröder seinen Blick schweifen lassen: vom Lehrter Bahnhof über den Reichstag, Potsdamer Platz, und, wenn er aus der zweiten Fensterfront seines 130-Quadratmeter-Büros schaut, bis zur Siegessäule und zur West-City.

Die Berliner kommen dicht heran an das Kanzleramt. Nur ein Zaun trennt den Bürgersteig vom Ehrenhof, wo Staatsgäste vorfahren und von einer Ehrenformation des Wachbataillons der Bundeswehr begrüßt werden. Steht man vor dem Zaun, lässt sich auch der Kanzlerbalkon einsehen, das ist der links oben im 7. Stock. Attentäter können das Büro natürlich auch anpeilen, werden aber an fünf Zentimeter starkem Spezialglas scheitern. Von der Straße aus nicht zu erkennen sind die Privaträume des Kanzlers im 8. Stock: 200 Quadratmeter groß und mit einer prächtigen Terrasse zum Reichstag und zum Tiergarten. Eine richtige Luxuswohnung, wie Kohl sie wollte, mit Kinderzimmern,wird es nicht geben. Statt dessen "halb private Repräsentationsräume mit Übernachtungsmöglichkeit".

Auch in seinem Büro ist der SPD-Mann etwas von den Wünschen seines CDU-Vorgängers abgewichen. So gibt es kein teures Parkett, sondern den Kanzleramts üblichen kristallgrünen Teppich. "Eine der ganz wenigen Änderungen, die der Kanzler wollte", sagt Hans Haverkamp von der Bundesbaugesellschaft, der gestern Journalisten durch den Bau führte.

Teuer - und deutlich teurer als geplant - ist der Axel-Schultes-Bau auch ohne Parkett. 465,2 Millionen Mark kostete das Haus, 400 Millionen waren veranschlagt. Die Fassade besteht aus weißem Beton. Doch weil sich der als extrem schwierig zu bearbeiten herausstellte, wählte man für den Innenhof hellen Sandstein. Das trieb die Kosten in die Höhe, ebenso die frei schwebenden und geschwungenen Betondecken im Innern.

Was gibt es alles nicht? Ein Schwimmbad, einen Bunker, Geheimgänge in den Reichstag - und eine zweite Brücke über die Spree. Die ist zwar immer noch geplant, da aber weder das Land noch der Bund zahlen wollen, müssen die Berliner wohl noch lange warten. Denn die zweite Querung der Spree sollte fürs Volk sein, eingepasst wie die parallele kanzlereigene Brücke in das architektonische "Band des Bundes". Aber das Band ist ohnehin nicht komplett, wie Schultes gestern anfügte. Nun steht das Kanzleramt als "Solitär" auf der Wiese. Und genau das sollte es nicht.

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