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Berlin: Kanzlerwort zum Mahnmal setzt Diepgen unter Druck

BERLIN .Auf verschlungenen Pfaden der Geheimdiplomatie zwischen Bonn und Berlin wird in diesen Tagen eine Entscheidung über das geplante Holocaust-Mahnmal südlich des Brandenburger Tores vorbereitet.

BERLIN .Auf verschlungenen Pfaden der Geheimdiplomatie zwischen Bonn und Berlin wird in diesen Tagen eine Entscheidung über das geplante Holocaust-Mahnmal südlich des Brandenburger Tores vorbereitet.Das überarbeitete Modell des New Yorker Architekten Peter Eisenman steht seit Anfang dieser Woche hinter verschlossenen Türen im Deutschen Historischen Museum.Während Bundeskanzler Helmut Kohl als erklärter Befürworter des Eisenman-Entwurfs seit Tagen über die Veränderungen genaustens informiert sein soll, herrscht im Senat noch völliges Rätselraten über das weitere Vorgehen.

Nach Informationen des Tagesspiegels steht das Thema Holocaust-Mahnmal auf der Tagesordnung der heutigen Sondersitzung des Senats zum Haushalt 1999.Ob sich der Senat auf das weitere Prozedere einigen wird, ist ungewiß.Zwar gibt es die Verabredung, das überarbeitete Eisenman-Modell gemeinsam zu besichtigen.Ob das aber noch vor der Sommerpause stattfinden wird, ist fraglich.Bekanntlich sieht der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) keinen Zeitdruck für eine baldige Festlegung des dreigeteilten Auslober-Gremiums aus Bundesregierung, Förderkreis und Senat.Diepgen hat sich in den letzten Wochen mehrfach dafür ausgesprochen, das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten und sich erst wieder im Spätherbst mit dem Mahnmal zu befassen.

Erheblichen Widerspruch erntete er in erster Linie von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD).Dieser hatte zuletzt am Mittwoch öffentlich eine rasche Entscheidung vor der Sommerpause gefordert: "Es wäre fatal, wenn in der internationalen Öffentlichkeit der Eindruck entstehen würde, das über viele Jahre diskutierte Mahnmal sei eine Ausgabe zuviel des Gedenkens in der deutschen Hauptstadt." Strieder hatte zuvor dem Senatschef indirekt vorgeworfen, eine Entscheidung auch aus parteipolitischen Gründen zu verschleppen, um Stimmen am rechten Rand zu gewinnen.

Diepgen ist mit seiner zögerlichen Haltung im Senat mittlerweile isoliert.Die SPD-Seite ist geschlossen für ein baldiges Senatsvotum, und auch Kultursenator Peter Radunski (CDU) ist gegen einen weiteren Aufschub der Entscheidung.Das hat er Diepgen in mehreren Gesprächen auch mitgeteilt.Nach außen hält sich Radunski aus Loyalitätsgründen allerdings mit Äußerungen zurück.

Aber auch in Bonn herrscht derweil Verunsicherung über den Stand der Dinge und über den genauen Kenntnisstand des Kanzlers.Offiziell verweist das Bundeskanzleramt auf das Bundespresseamt - und umgekehrt.Im Raum steht eine Äußerung des Regierungssprechers Otto Hauser, Kohl werde das Modell noch im Juli besichtigen.Gerüchte, wonach ein zweites Modell des modifizierten Mahnmal-Entwurfs im Bundeskanzleramt steht, haben sich nicht bestätigt.Jedoch sprechen Eingeweihte davon, das Modell sei über Bonn nach Berlin gelangt.Insofern könne man getrost davon ausgehen, daß Kohl es persönlich in Augenschein genommen und seine Entscheidung auch gefällt habe.Genährt wird dies außerdem durch Aussagen in Berliner Regierungskreisen.Kohl sei selbstverständlich über alle Details seit Tagen informiert, sein endgültig positives Votum werde er aber erst nach dem offiziellen Besichtigungstermin verkünden.

Insofern setzen die Berliner Befürworter einer baldigen Mahnmal-Entscheidung auf ein deutliches Wort von Kohl, das auch Diepgen unter Entscheidungsdruck setzen würde.Berlin könne es sich schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit nicht leisten, als einziger der drei Auslober das Verfahren unnötig zu blockieren, heißt es.

A.BAHR, M.MÜLLER-WIRTH

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