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Berlin: „Karlsruhe wird Berlin den Verkauf von Landesvermögen vorschreiben“

Ex-Finanzsenatorin Fugmann-Heesing rechnet im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltsnotlage mit strengen Sanierungsauflagen. Wirtschaftsforscher sieht kaum noch Verkaufsobjekte

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die ehemalige Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) rechnet fest damit, dass das Bundesverfassungsgericht dem Land Berlin die Privatisierung von Landesvermögen vorschreiben wird. In einem Urteil der Karlsruher Richter zur Haushaltsnotlage Berlins, „wenn es überhaupt zugunsten der Stadt ausfällt“, werde es sicher strenge Auflagen geben.

„Wir sollten deshalb die Entscheidung abwarten und sehen, welche Konsequenzen sich daraus für die künftige Privatisierungspolitik ergeben“, sagte Fugmann-Heesing gestern auf einer Veranstaltung von Attac, Gewerkschaftsjugend und Jungsozialisten. Der Senat hatte im Oktober 2003 das Bundesverfassungsgericht angerufen, um Sanierungshilfen des Bundes zur teilweisen Entschuldung des Landeshaushalts zu erzwingen. Die meisten Bundesländer lehnen dies ab; der Bund wird voraussichtlich im Mai seine Stellungnahme zur Klage Berlins in Karlsruhe einreichen. Ein Urteil wird aller Voraussicht nach 2005 gefällt.

„Wenn Sanierungshilfen in Milliardenhöhe gezahlt werden müssen, wird dies nicht nur den Bund, sondern auch die Länder belasten“, sagte Fugmann-Heesing dem Tagesspiegel. Es sei gar nicht anders denkbar, als dass das Gericht die Feststellung der Haushaltsnotlage Berlins mit Sanierungsauflagen verbinde. Der Verkauf von Landesbeteiligungen werde dazugehören.

Die Ex-Finanzsenatorin und stellvertretende SPD-Landesvorsitzende verteidigte auf der Veranstaltung die Privatisierungspolitik der vergangenen Jahre. 1992 bis 2002 habe die Veräußerung von Landesvermögen 9,7 Milliarden Euro eingebracht. Das entlaste den Landeshaushalt jährlich von 400 Millionen Euro Kreditzinsen. „Das entspricht in etwa dem öffentlichen Kulturetat.“

Die großen Privatisierungen, vor allem der Gasag, Bewag und der Wasserbetriebe, sind nach Einschätzung Fugmann-Heesings sinnvoll gewesen. Trotzdem sei Berlin immer noch „Gesellschafter eines riesigen Mischkonzerns mit über 60 000 Beschäftigten und neun Milliarden gezeichnetem Kapital“. Leider gebe es bis heute keinen „einheitlichen Gesellschafterwillen“ des Landes. Ganz unterschiedliche Interessen der verschiedenen Senatsressorts „stürmen auf die Unternehmen ein.“

Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kritisierte gestern, dass bei den Privatisierungen in den neunziger Jahren nicht die Ordnungspolitik, sondern finanzielle Gründe im Vordergrund standen. „Das war kein Glanzstück; der Senat hat jedesmal unter Zeitdruck und mit dem Rücken zur Wand mit den Investoren verhandelt.“ Es habe nie ein Privatisierungskonzept gegeben. Im Übrigen hält der DIW-Wissenschaftler die Potenziale für den Verkauf von Landesvermögen für weitgehend erschöpft. Mit Ausnahme von Immobilienverkäufen, so Vesper, würden Privatisierungserlöse für den Landeshaushalt in Zukunft keine große Rolle mehr spielen.

Vesper widersprach damit den Kollegen vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Sie hatten versucht, mit einer Studie für die Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger Unternehmer (ASU) zu belegen, dass der Berliner Haushalt durch radikale Privatisierungen um jährlich vier Milliarden Euro entlastet werden könne. In der Studie wurde vorgeschlagen, auch Schulen, Straßen, Krankenhäuser und Haftanstalten in privates Eigentum zu überführen. „Davon halte ich wenig“, sagte Vesper. Allerdings könne mehr Wettbewerb manchen Landesunternehmen nur gut tun.

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