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Beim Kinderkarneval der Kulturen tobten am Sonnabend Mädchen und Jungen als Frösche verkleidet über die Straße.

© ddp

Karneval der Kulturen: Karnevalisten in Kreuzberg - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren waren fast 100 Tanzgruppen und 70 Festwagen bei der Parade dabei – eine kleine Typologie der Kultur-Karnevalisten. Was Eva Kalwa damals darüber schrieb.

Die Bengalen feiern ihr Neujahrsfest, die Ecuadorianer kämpfen tanzend gegen den Teufel und alle bösen Geister. Die Kameruner gewähren Einblicke in geheime Tänze und die Polynesier wiederum Blicke auf ihre festliche Tätowierungen. Fast 5000 Teilnehmer präsentieren beim Umzug Traditionen, Musik und Tänze aus 70 Nationen. Zwischen den 94 Formationen und 70 Festwagen tummeln sich unter anderem auch Stelzenläufer, Riesenmarionetten und Papp-Giganten. Hier einige der ausgefallensten Teilnehmergruppen mit ihren Startpositionen:

Die Anführer: Sie kennen den Weg: Die Musiker und Tänzer der deutsch-brasilianischen Gruppe Afoxé Loni (1) führen den Karnevalsumzug schon seit 1997 an. Sie sind gut an ihren weiß-goldgelben Kostümen und dem Schüttelinstrument Afoxé, einer mit Perlen geschmückten Kürbisfrucht, zu erkennen. In diesem Jahr hat die Gruppe musikalische Gäste aus Dublin, Triest und Mühldorf dabei. Zu ihrem Auftritt gehört immer das spirituelle Reinigen der Strecke vor dem Start.

Die Ballkünstler: Mehrere Gruppen widmen sich spielerisch den Parallelen zwischen Fußball und Tanz: Amistad Salsera (61) tanzt kickend und fröhlich Salsa. Die Schöneberger Freizeitfußballer vom Polar Pinguin e.V. (80) wollen schweißtreibend auf die Folgen der Erderwärmung aufmerksam machen. Und Baobab! (33), zu Deutsch Affenbrotbaum, feiert schon mal die sechste Offene Afrika-Fußballweltmeisterschaft, die vom 4.-6. Juni in Neukölln stattfindet.

Die Jüngsten: In mehr als 15 Gruppen sind besonders viele Kinder und Jugendliche aktiv, so unter anderem in der Formation der Tanzschule Charlottes Boogie-Stube (42) und bei den Kidz 44 (2) aus Neukölln. Auch bei den Stadtrandpiraten (45) vom Jugendverein Roter Baum feiern schon die kleinsten Strandräuber mit. Ebenso bei der Gruppe Schlesische 27 – am Puls der U-Bahn (52), die junge Passagiere aus Lyon, Istanbul und Berlin in die U-Bahn – die Meisterin der taktvollen Bewegungen – setzt.

Die Wiederverwerter: Aus Alt mach Neu heißt das Prinzip, nach dem AntiVirus (17) ihre selbst gebauten Instrumente aussuchen: Die internationale Gruppe musiziert auf allem, was auf den Straßen zu finden ist, dazu gehören Autoreifen, Abflussrohre, Büchsen und Kanister. Auch die Party-Nomaden Keller & Sisyphos (90) sowie die Alternativ-Rockband 12Volt (6) zählen zu den Umweltbewussten: Die einen gestalten ihre Dekoration aus Industrie- und Alltagsgegenständen, die anderen fahren ausschließlich Fahrrad.

Die Glücksbringer: Die lateinamerikanischen, spanischen und deutschen Mitglieder des Vereins Calaca (37) waren bereits beim ersten Karneval 1996 dabei und haben mit ihren fantasievollen Kostümen schon mehrere Preise gewonnen. In diesem Jahr spielen die Kreuzberger mexikanische Lotterie und möchten all die zu Gewinnern machen, die sich im Leben auf der falschen Seite der Grenze zwischen Arm und Reich beheimatet fühlen.

Die Himmelsstürmer: Die Stelzenläufer von Dulce Compania (18) feiern in ihren an mythologische Figuren angelehnten Kostümen die 200-jährige Unabhängigkeit Chiles. Auf Stelzen bewegt sich ebenfalls die Charlottenburger Samba-Schule Sapucaiu No Samba (40) und widmet „Mutter Afrika“ eine Straßenoper. Auch die Echt Street Puppets (3) aus Prag wollen hoch hinaus und rücken mit ihren nach tschechischer Tradition gebauten Riesenpuppen die Beziehung Mensch-Maschine-Monster in den Mittelpunkt.

Die Heimatlosen: Ihr Konsulat fährt auf Rädern, Landesgrenzen kennen sie nicht, und ihre kulturelle Identität verändert sich fortwährend: Die Folklore- und Artistikgruppe von Dhalaristan (66) will die üblicherweise an Politik, Grenzen und Ethnien gebundene kulturelle Identität befreien. Dhalarii kann jeder werden, beim Festumzug kann man um Einreiseerlaubnis bitten, seinen Pass stempeln lassen und Geld in Landeswährung tauschen.

Die Sozialdarwinisten: 2010 ist das Jahr Darwinscher Biodiversität und zugleich das Jahr der Annäherung der Kulturen. Für die in Berlin ansässige peruanische Tanzgruppe Ríos Profundos (46) gehören die Diversität der Natur und die Vielfalt der Kulturen zusammen. Deshalb wollen die Preisträger von 2008 Göttern, Teufel, Tälern und Bergen ihre Gesichter und Stimmen leihen und gegen die weitere Zerstörung der Natur aufrufen.

Die Nordländer: Tura ya Moya (14) heißt auf Zulu Land der Götter. Die Gruppe aus Berlin und Kopenhagen, die seit 1988 besteht, bringt die nordischen Götter nach Berlin und lädt auf ihrem märchenhaften Sonnenwagen zu einer Reise in alte nordische Sagen- und Fabelwelten ein. Dänische Musiker spielen skandinavische Klänge und auch Trolle, Elfen und Feen werden erwartet.

Die Durstlöscher: Die Trinkinitiative Viva con Agua (12) kämpft weltweit gegen Trinkwasserknappheit. Um darauf aufmerksam zu machen, hat Viva con Agua zusammen mit der Klimaschutzkampagne einen großen fahrbaren Brunnen gebaut und will darauf beim Umzug eine Live-Band setzen. Damit die Aktion umweltneutral gestaltet ist, wird der Brunnen mithilfe von Fahrrädern und Muskelkraft fortbewegt.Eva Kalwa

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren".

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