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Karneval der Kulturen: Tanz den Kreuzberg

Über Pfingsten feiert die Stadt sich selbst – und ihr größtes Event: den Karneval der Kulturen. Es wird ein Fest, so bunt wie seine Besucher.

Nein, Schuhplatteln kann er nicht. Aber er kommt fesch daher mit seiner bayerischen Lederhose. Juan Carlos Ramirez Henao, Ärztlicher Leiter des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes von Marzahn-Hellersdorf. „Ich wollte heute etwas Deutsches tragen“, sagt der 43-Jährige aus Lichtenberg lächelnd. Der Arzt stammt aus Kolumbien, ist seit Jahren Berliner – und einer von insgesamt 1,3 Millionen erwarteten Besuchern des Karnevals der Kulturen, dem Pfingst-Highlight Berlins. Am heutigen Sonntag führt der bunte Umzug der 5000 Kulturkarnevalisten aus 70 Nationen ab Mittag bis in die Nacht von Neukölln westwärts gen Schöneberg. Am Sonnabend zogen bereits 350 kostümierte Jungkarnevalisten und 3000 Erwachsene beim Kinderkarneval durch Kreuzberg 36 zum Fest im Görlitzer Park.

Schon am Freitagabend machten sich laut Projektleiterin Nadja Mau 100 000 Gäste beim Straßenfest auf dem Blücherplatz warm. Die Statistik der Veranstalter ist mit der Polizei abgestimmt, auch das eine Besonderheit beim besucherstärksten Event der Metropole. „Der Karneval der Kulturen ist eine Veranstaltung mit zunehmender Bedeutung, die die kulturelle Vielfalt der Stadt widerspiegelt“, sagt Christian Tänzler von der Berlin Tourismus Marketing – und radelt dann selbst zum Straßenfest . Auch Klaus-Dieter Richter, Vizepräsident der Dehoga, freut sich über die Resonanz für die Hotel-Branche.

Yiaing Chen ist aus Norddeutschland nach Berlin gekommen und nimmt am Blücherplatz einen Schluck aus der Limoflasche. Die 24-Jährige aus Schanghai studiert derzeit in Flensburg „European Studies“ und macht nun in Berlin bei Transparency International ein Praktikum. „Ich möchte gern in Berlin bleiben“, sagt die Chinesin: Es gebe hier so viele spannende Kulturen. „Berlin has it all“ steht auch auf einem Bild des Künstlers Tim Roeloffs. Der stammt wiederum aus den Niederlanden, und seine Kunst prangt sogar auf den T-Shirts von Versace-Models. Der Verkäufer der Werke zitterte gestern noch ein wenig, ob er das Geld für den Stand wieder hineinbekommt: 800 Euro.

Luftiger ist es jetzt auf dem Straßenfest beim 15. Karneval, weit weniger Stände wurden zugelassen, die Veranstalter wollen Qualität statt Quantität. Laut Nadja Mau hat sich das Konzept bereits bewährt – weniger Trash, mehr Platz zum Sitzen, weniger Geschiebe. Für die Zukunft tüftele man nun an einem Konzept, wie man die Zuschauer beim Umzug noch besser miteinbeziehen könnte, wie man die Herkunft der Besucher statistisch valide, aber ohne große Kosten eruieren könne.

Richtig dicht ist es in der Oranienstraße, beim Kinderkarneval, der von Weitem aussieht wie eine Demo. Aber nicht von Nahem. Mia ist sieben und eine „liebe Hexe“, ihre Schwester Noya geht als Tiger. Wie alt sie ist? Das Mädchen streift die Krallen ab und zeigt die Finger: fünf. Bruder Yahel, 9, geht „als Junge“. Die Eltern, das ist auch so eine typische Multikulti-Geschichte. Kennengelernt haben sich Oliver Viering aus Münster und Hilit Schenkel aus Israel in Spanien. Er surfte, sie tanzte Flamenco. Jetzt sind sie eine typische Berliner Familie. Annette Kögel

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