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Update

Karneval in Berlin: 50 Fässer Kölsch können uns nicht gefährlich sein

Heute schon Superman in der U-Bahn gesehen? Oder Donald Duck vor der Kneipe? Nicht wundern: Heute ist der 11.11. Da wird gefeiert - auch in Berlin.

Am Bahnhof Friedrichstraße kreisen die Kölsch-Gläser. Seit 11.11 Uhr wird hier im "Gaffel Haus" ordentlich gefeiert, mit Perücke auf dem Kopf und ulkigen Liedern aus den Boxen. Und nicht nur in der Dorotheenstraße wundern sich Passanten über die überaus gut gelaunten Menschen, die an diesem doch eher grauen November-Montag herumtänzeln.

50 Fässer á 50 Liter Kölsch stehen bereit, erzählt Geschäftsführer Heiko Lockenvitz: „Um 13 Uhr ist der Laden voll und dann nimmt der Wahnsinn seinen Lauf.“ Wahnsinn? Ist Lockenvitz ein Karnevalsmuffel? „Sagen wir mal so: Mein Partner ist der Kölsche, ich bin der Vernünftige“, antwortet der Berliner.

Ein bekannter Spandauer Kostüm-Laden gibt auf

55 Prozent der Berliner, so besagt eine Emnid-Meinungsumfrage von 2010, können mit Karneval nichts anfangen. Damit liegt die Stadt deutlich über dem Bundestrend, bei dem nur 36 Prozent der Deutschen kein Interesse am Karneval haben. Jutta Graichen bekommt diese fehlende Feierlaune in Berlin zu spüren. Seit 32 Jahren führt sie den Familienbetrieb „Kostümverleih Graichen“ in der Spandauer Klosterstraße. „Die Berliner sind satt von Halloween“, erklärt sie und erwähnt nebenbei, dass sie einen Nachfolger für den Laden sucht. Jörg Reisemann von „Deko-Behrendt“ in Schöneberg kann den Eindruck von Graichen bestätigen. Er setzt auf die Kostümwilligen der letzten Minute. Von 20er, 50er bis 70er Jahre habe er alles zu bieten, aber: „Vor allem die 80er sind zurzeit trendy: einfach lässig im rosa Trainingsanzug.“ Dazu Perücken, Ketten, Brusthaartoupets - mehr kann das Jeckenherz doch eigentlich nicht wollen?

Karneval hat keine Lobby in Berlin

„Der Karneval hat einfach keine Lobby in Berlin“, sagt Harald Grunert. Es sei schon immer schwierig gewesen, Sponsoren für den Umzug zu finden. Der 64-jährige Bonner lebt seit 1997 in Berlin, ist einer der beiden Geschäftsführer der „Ständigen Vertretung“ und hat von 2001 an zehn Jahre lang den Berliner Karnevalsumzug organisiert. Damals, beim ersten Karnevalsumzug durch Berlins Mitte habe man noch Aufbruchsstimmung gespürt, bis dato hatte es nur „Saalkarneval“ in Berlin gegeben. 200.000 bis 800.000 Schaulustige seien an die Zugstrecke gekommen, so Grunert. Bis zu 50 Tonnen Wurfmaterial, also Bonbons und andere Süßigkeiten, waren dafür nur ein Grund. Nun müssen sich die Narren mit kleineren Aktionen zufrieden geben, denn der Umzug fällt aus. Wie wäre es mit einem Rathaussturm? Nein, nicht das Rote Rathaus - „da macht Wowereit nicht mit“, sagt Lutz Moser, Präsident der Narrengilde Berlin.

Aber das Charlottenburger Rathaus, das stürmen Moser und seine Jecken. Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) wird die Bezirkskasse und der Rathausschlüssel abgenommen. Während erstere mit Schokotalern gefüllt ist, die unter das anwesende Volk geworfen werden, bekommt Naumann den Schlüssel erst zu Aschermittwoch wieder. Naumann nimmt’s gelassen: „Für mich ist es eine Premiere, aber ich freue mich auf die Jecken“, sagt er. Obwohl gebürtiger Berliner, ist Naumann dem Karneval wohlgesinnt: „Ich habe meinen Mann 1994 beim Rosenmontagsumzug in Köln kennen gelernt - in nüchternem Zustand, möchte ich betonen.“

Karoline Kuhla

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