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Filialleiter Birger Hinz im Karnevalsgeschäft Deiters am Roten Rathaus

© Sven Darmer

Karneval in Berlin: Rheinische Entwicklungshilfe

Einer der größten Karnevals-Ausstatter Deutschlands hat ein Geschäft in Berlin eröffnet. Es ist das erste außerhalb der närrischen Hochburgen. Ein Besuch zum 11.11.

Die Glocke im Turm des Roten Rathauses gongt: Es ist Punkt elf. Noch elf Minuten also, bis die sogenannte fünfte Jahreszeit beginnt. In Hörweite der Glocken, die Rathaus-Passagen. Hier gab es bis vergangenen August einen Autoteile-Händler, bis dieser Konkurs anmeldete. Jetzt hat hier ein für Berliner Verhältnisse ungewöhnliches Geschäft eröffnet: ein Karnevalsladen.

Aus den Schaufenstern im zweiten Stock grüßen plakatierte Piraten und Musketiere die Passanten auf der Rathausstraße, im Eingang grinst ein Clownsgesicht. Deiters heißt das Geschäft und ist laut eigenen Angaben der größten Karnevalsartikelhändler Deutschlands. Die Filiale in Berlin ist die erste außerhalb des üblichen Einzugsgebiets rund um Köln und Düsseldorf.

Anfang Oktober wurde die neue Filiale eröffnet, noch geht es hier ruhig zu. Auch am 11.11. um 11.11 Uhr. „In Köln ist jetzt richtig was los“, sagt Birger Hinz, der Filialleiter, „da haben die teilweise Security-Leute vor der Tür.“ Hier in Berlin: Ein halbes Dutzend Menschen fährt mit den Händen durch die goldenen Tutus, die Piratenoutfits, die Nonnenkostüme. Aus den Lautsprechern dröhnt: „Drink doch ene met“, von den Bläck Fööss. Stell dich nicht so an, trink doch einen mit, raten die Kölner Mundart-Rocker. Karnevalsmusik eben.

Herbert Geiss, Sohn des Firmengründers und Deiters-Chef, sagte kürzlich, er sehe die Neueröffnung auch als „rheinische Entwicklungshilfe“, was den Karneval betrifft. Ob das in Berlin funktioniert? „Es war von vorneherein klar, dass wir uns nicht ausdrücklich auf den Karneval spezialisieren“, sagt Filialleiter Hinz, „Junggesellenabschiede, Feiern, Touristen: Berlin ist die Partymetropole Nummer eins.“ Rund um Halloween seien mehr Kunden gekommen als erwartet. Touristen seien die Hauptkunden. „Viele Israelis kommen“, sagt Hinz, gebürtiger Lübecker. Vielleicht, weil man das Phänomen Karneval dort nicht so kenne.

Karneval ist in Berlin keineswegs neu. Seit 1430 gibt es hier Fasching, mehr als 20 Karnevalsvereine zählt die Stadt. Umzüge sind aber selten geworden. 2013 zog der arrangierte Frohsinn ein letztes Mal über den Ku’damm. Die Umweltverwaltung beharrte seit 2012 auf der Lärm- Höchstgrenze von 70 Dezibel: Staubsauger-Lautstärke. So steht es im Immissionsschutzgesetz. Für einige Veranstaltungen gelten Ausnahmen, etwa für den  Karneval der Kulturen im Sommer oder das Public Viewing bei der Fußball-WM. Der närrische Karneval kriegt aber keinen Sonderstatus. Lärmschutz, sinkende Besucherzahlen und abspringende Sponsoren gaben ihm den Rest. Auch für die nächsten Jahre ist kein Umzug geplant.

Zurück bei Deiters, ein paar Leute mehr sind gekommen. Ein Kunde sucht Ziegenbärte zum Ankleben. 14 000 Artikel haben sie im Laden. Auf 2000 Quadratmetern findet man natürlich auch falsche Bärte. Daneben wundern sich zwei junge Schwedinnen über Uniformen des Spezialeinsatzkommandos der Polizei – laut Hinz ein Kassenschlager.

Glockenschlag : Es ist zwölf. Seit 49 Minuten ist Karneval, in den Rathaus-Passagen merkt man davon noch nicht so viel.

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