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Karneval: Narren machen die Hauptstadt unsicher

Zum Karnevalszug Berlin haben sich am Sonntagvormittag tausende Jecken und Narren in der City West versammelt. Auch wenn es noch lange nicht wie in den Karnevals-Hochburgen zugeht, beweisen die Berliner Durchhaltevermögen.

Die Jecken auf den Umzugswagen geben sich redlich Mühe, die Zuschauer am Straßenrand über Lautsprecherdurchsagen zum Mitfeiern zu bewegen. Der Funke springt dennoch nicht richtig über. Das mag am Dauerregen liegen, der den Straßenrand in ein breites Rinnsal verwandelt hat. Einige Unerschrockene fischen die Kamelle aus der schmutzigen Brühe, Wasser spritzt auf, als sich Kinder um einige Tüten Popcorn balgen. Am Sonntag ist der Karnevalszug unter dem Motto "Hier tanzt der Bär" durch der Berliner City-West gezogen. Es war bereits der neunte Karnevalsumzug in Berlin.

Trotz der widrigen Umstände stehen zahlreiche Menschen entlang der Umzugsstrecke, einige von ihnen sind sogar kostümiert. Ein breitschultriger Herr mit Vollbart, Lockenperücke und rotem Lippenstift steht mit einigen Freunden neben dem Festzug und feiert mit. Er ist Rheinländer und lebt seit ein paar Jahren in Berlin. Über den Berliner Karneval freut er sich, auch wenn der eigentlich nicht hierher passe. "Die Preußen sind nun mal protestantisch. Da hat Karneval keine Tradition. Die Berliner schauen sich den Umzug an, wie sie sich auch den Christopher Street Day anschauen."

Teltower geben sich selbstironisch

Eine Berliner Rentnerin, die das Treiben aus einiger Entfernung beobachtet, ist optimistischer. Sie zählt sich zu den Karnevalsbefürwortern und ist der Ansicht, dass sich allmählich eine eigene Berliner Karnvalstradition entwickeln wird. Andere nehmen das närrische Treiben einfach wie es kommt, so zum Beispiel eine Gruppe von Hare-Krishna-Jüngern. Sie haben sich mit Trommeln am Rand der Strecke postiert und singen im Takt der Schunkelmusik "Hare, Hare!"

Karnevalsskeptiker scheinen sich nicht eingefunden zu haben. Vermutlich sind sie wegen des Regens gleich zu Hause geblieben. Der ist inzwischen stärker geworden, aber Karnevalisten wie Zuschauer beweisen Durchhaltevermögen. Mark Wegener, Präsident der Rüdersdorfer Karnevalsgemeinschaft, verteilt Rosen an die umstehenden Damen. Er ist zufrieden mit der Resonanz und glaubt, dass auch die Berliner den Karneval inzwischen annehmen. "Die Leute sind trotz Regenwetter gekommen, das ist doch was", sagt er gut gelaunt.

Die Rüdersdorfer sind nicht der einzigen Karnvalisten aus dem Berliner Umland, die an dem Zug teilnehmen. Auch Vereine aus Potsdam, Teltow oder Werder sind mit ihren Wagen und teilweise sogar mit eigenen Prinzenpaaren vertreten. Die Teltower beweisen Selbstironie und fahren auf ihrem Wagen eine riesige Rübe aus Pappmaché spazieren.

Kita-Volksbegehren und "Mediaspree versenken" mit dabei

Es ist einer der auffälligeren Wagen, denn nicht nur das Publikum scheint von den rheinischen Karnevalstraditionen noch weit entfernt zu sein. Aufwendig und fantasievoll gestaltete Wagen mit politischer Aussage, wie sie auf den Rosenmontagsumzügen im Westen der Republik üblich sind, sucht man vergebens. Dafür sieht man einige Wagen, die offensichtlich von Unternehmen zu Werbezwecken auf die Strecke geschickt worden sind. So verheißt das Tropical Island den durchnässten und frierenden Zuschauern den Sommer im Februar.

Zu Fuß und zwischen zwei Wagen leicht zu übersehen bringen einige Berliner dann doch noch politische Anliegen vor. Anhänger verschiedener Initiativen, zweckmäßig verkleidet mit weißen Plastiktüten, werben für das Kita-Volksbegehren oder für die Bürgerinitiative "Mediaspree versenken". Ein Herr, den ein Schild um den Hals als Anhänger es Tempelhofer Flughafens ausweist, möchte das Nützliche mit dem Vergnügen verbinden. "Letztes Jahr war ich auch schon dabei. Damals hatten wir das Problem mit Tempelhof noch nicht. Diesmal wollten wir die Gelegenheit nutzen, um unseren Prostest kundzutun."

Andere Menschen entlang der Strecke haben weitaus pragmatischere Interessen. Sie drehen trotz Dauerregen tapfer ihre Regenschirme um, sobald sich ein Festwagen nähert. Als von einem Wagen Werbeflyer für einen Radiosender geworfen werden, regt sich Protest: "Mensch, ihr sollt Kamelle werfen!"

Tatjana Schäfer[ddp]

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