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Berlin: Kasatschok im Gucci-Rock

Kaminers Russendisko war der Anfang: Die osteuropäische Partyszene erobert das Nachtleben. Wer mitfeiern will, muss trinkfest sein

Es fing alles aus einer Laune heraus an, mittlerweile ist aus dem Spaß ein ernst- zunehmendes Geschäft geworden. Vor sieben Jahre hatte der Schriftsteller Wladimir Kaminer erstmals die Idee, seine russischen Lieblingshits vor einem Partypublikum zu spielen. Im Laufe der Zeit sind es immer mehr Gäste geworden, die zu seiner „Russendisko“ ins Kaffee Burger in Mitte kamen, um zu Rock, Ska und Folklore aus Osteuropa zu tanzen. Für die Ohren der deutschen Besucher war diese musikalische Mischung bis dahin neu, vermutlich obskur. Für Kaminers Landsleute hingegen sind die Abende eine Art Ausflug in die alte Heimat.

Vielleicht deshalb hat Kaminer seinen neuen Partyort so genannt: Rodina, zu deutsch Heimat. Vor fast zwei Monaten eröffnete er den Club im Gewölbe unter dem S-Bahnhof Jannowitzbrücke in Mitte, in den Räumen der einst von Hertha-Spieler Axel Kruse betriebenen Sportbar. „Mit der Zeit ist das Kaffee Burger einfach zu klein geworden. Deshalb haben wir einen eigenen Club für unsere Partys gesucht. Wir sind noch in der Entwicklungsphase, aber bislang läuft es schon ganz gut“, sagt Yuriy Gurzhy.

Der gebürtige Ukrainer ist Kaminers Kompagnon, mit ihm organisiert er die Veranstaltungsreihen im Rodina und steht oft selbst am DJ-Pult. Zum Beispiel am vergangenen Wochenende. Da veranstaltete Gurzhy einen ukrainischen Themenabend und legte unter anderem Musik von Oleg Skrypka oder Perkalaba auf. Die kennt hierzulande natürlich kein Mensch, und etwa die Hälfte der vielleicht 200 Gäste, die sich in dieser Nacht gegen zwei Uhr in dem Mauergewölbe mit Blick auf die Spree befinden, auch nicht. Aber darauf kommt es nicht an. Wichtig ist, dass die unglaublich schnelle und unglaublich schweißtreibende Musik ins Ohr geht. Die Tanzfläche ist jedenfalls voll. Auf den umherstehenden roten Ledersofas sitzen nur wenige Besucher und beobachten das Geschehen.

Merke: Wer mit Russen feiern will, wird aktiv in das Geschehen eingebunden – auch wenn er den Kasatschok nicht tanzen kann. Lässig am Rand der Tanzfläche zu stehen, ist was für Langweiler. Oder wie es Yuriy Gurzhy formuliert: „Die Partys sind eine extreme Art der Unterhaltung.“ Alkohol spielt dabei keine unwichtige Rolle. Gern ordern die Gäste den Wodka flaschenweise.

„Wenn Russen feiern, geht es ihnen vor allem darum, Spaß zu haben – Geld ist da nebensächlich“, sagt ein Türsteher der A-Lounge in Mitte, in der jeden Samstag russische Partys steigen. Im Gegensatz zum Rodina und Kaffee Burger trifft sich hier kein einfaches, studentisches Publikum. Wer in die A-Lounge kommt, der will gern zeigen, dass es ihm nicht schlecht geht. Die Frauen tragen strassbesetzte Jeans oder knappe Röcke, die Männer Designeranzüge. Protziger Gucci- Schick ist en vogue. Wer des Russischen nicht mächtig ist, wird hier schwer Anschluss finden: Etwa zehn Prozent der Gäste kommen aus Deutschland, schätzt der Veranstalter, der auch regelmäßig im Rich Club in Mitte den „Rendezvous Partyclub“ veranstaltet. Dass das so ist, sei vor allem auf das schlechte Image von Osteuropäern hierzulande zurückzuführen. Hartnäckig würde sich das Klischee vom saufenden und prügelnden Russen halten. „Wir wollen mit unseren Partys das schlechte Bild geraderücken“, sagt der Veranstalter. Tatsächlich gehe es bei den Partys „recht gesittet“ zu, wie der Mitarbeiter der für die Veranstaltungen zuständigen Security- Firma bestätigt.

Zurechtrücken müssen Kaminer und Gurzhy im Rodina und im Kaffee Burger nichts. Sie haben schon erreicht, woran andere Organisatoren verschiedener Russenpartys in der A-Lounge, im Rich Club oder im Treasure Garden noch arbeiten: Abende für Nachtschwärmer aus ganz Berlin, egal welcher Herkunft, zu veranstalten. „Wir wollten auf keinen Fall einen dieser Ghetto-Clubs eröffnen“, sagt Gurzhy, „wir sind offen für alle.“

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