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Berlin: Kauffrau Doris Brodersen

Eine ungewöhnliche Frau mit einem ungewöhnlichen Lebenslauf. Die „eiserne Brodersen“ hieß eines der Schiffe der einst bekannten Flensburger Reederei.

Eine ungewöhnliche Frau mit einem ungewöhnlichen Lebenslauf. Die „eiserne Brodersen“ hieß eines der Schiffe der einst bekannten Flensburger Reederei. Eisern wirkt auch der erfolgreiche Spross dieser Dynastie, auch wenn sie mit malerischem rotem Schal in ihrer stilvollen Wohnung an der Bundesallee mit strahlenden Augen und lebhaften Gesten ihre „verrückte“ Geschichte erzählt. Schon ihre Jugend war extrem bewegt. Vom Hof der Großeltern in Tarup bei Flensburg ging es mit den Eltern nach Neumünster, Malente und dann 1959 nach Waltersdorf (bei Zittau) in den Osten.

Sie versuchten sich überall in der Gastronomie. Geld war stets knapp, der Vater schwer zuckerkrank. Klar, dass die Tochter immer helfen musste. Wie ein Junge sei sie aufgewachsen. Schließlich landeten sie in Templin in der Uckermark. Sie lernte Krankenschwester an der Charité und wollte 1976 in die Partei. So wurde sie unter anderem Kulturleiterin für drei FDGB-Heime in Templin. Das Abendabitur bestand sie einen Monat vor der Geburt ihrer Tochter. 1977 durfte sie zum Studium der Kunstgeschichte nach Leipzig und später an die HU in Berlin. Dann kam ein neuer Mann aus West-Berlin, Heirat, Parteiaustritt, Familienzusammenführung, Umzug.

1980 begann ihr neues Westleben. Eine schwierige Zeit, Jobs in Kneipen neben dem Studium an der FU und schließlich HiWi für Otto von Simpson. Nach der schnellen Scheidung hatte sie „außer ihrer Tochter nichts mehr“. Die Suche nach dem richtigen Lebens- und Geschäftsmodell ging weiter. Die Stationen: TV-Produktionssekretärin, Aufnahmeleiterin, Vertriebsfrau für eine russische Filmfirma und ein russisches Handelshaus. Holz sollte sie verkaufen. Das gelang ihr erstaunlich gut, aber man blieb ihr die vereinbarte Provision schuldig.

Deshalb startete sie 1991 mit zwei Partnern die Firma BLN (Brodersen, Levov, Noriko). Zuerst lieferten sie Alkohol und Gaszähler nach Russland. Aber wieder scheiterte alles an der miesen Zahlungsmoral. Als einträgliches Geschäftsfeld erwies sich endlich der Export von Umschlagsgeräten für Schrottfirmen und den Holzhandel: Fuchs-Bagger heißen sie in Russland, auch wenn es Produkte der Konkurrenz sind. Mit diesem Hersteller läuft nun seit 1999 eine exklusive Partnerschaft für Russland, Kasachstan, die Ukraine und Weißrussland. In Berlin kümmern sich heute 18 Mitarbeiter um den Vertrieb, die Technik und das Marketing. Vor Ort bieten die BLN-Büros 24-Stunden-Service. 30 Millionen Euro setzt die Gruppe 2006 um. 2007 werden es 50 Prozent mehr. Heute fühlt sich die Handelsfrau mit ihrem Unternehmen sehr wohl. Ihr Mann leitet den Beirat, die Tochter hilft im Marketing und ein Neffe lernt auf „Nachfolge“. Sie selbst möchte künftig etwas ruhiger treten. Mehr Privatleben, lesen, Liebe, kochen, Nichtstun und Freunde, mehr Italien und häufiger in die Datscha am Templiner See, Rosen züchten – und dort wieder mehr rudern!

Heik Afheldt war Herausgeber des Tagesspiegels.

Doris Brodersen (54).

Die frühere Krankenschwester und Kunsthistorikerin ist

geschäftsführende

Gesellschafterin der BLN Handelsberatungs- und Consulting GmbH, Berlin

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